Höhe und Beweislast für Bauhandwerkersicherung

15.12.2023

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat dieser seine bisherige Rechtsprechung zur Bauhandwerkersicherung nach § 650 f BGB konkretisiert. Mit Urteil vom 17.08.2023 (VII ZR 228/22) hat er entscheiden, dass zur Höhe der Sicherheit ein schlüssiger Vortrag des Unternehmers ausreicht und kein Schätzabschlag des Gerichts vorgenommenen darf.

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Baubranche mit einem gestiegenen Insolvenzrisiko sehen sich immer mehr Auftraggeber mit der Forderung ihrer Auftragnehmer nach einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB konfrontiert. Dies betrifft auch öffentlich-rechtliche Auftraggeber, soweit sie privatrechtlich organisiert sind, beispielsweise als GmbH. Schon während der Projektphase sollten Auftraggeber sich daher auf ein Sicherheitsverlangen des Unternehmers für den “worst case” vorbereiten. Das Urteil des BGH erhöht die Attraktivität des Sicherungsmittels, welche in der Praxis regelmäßig durch Bürgschaft gestellt wird, sodass die Entscheidung für jeden Auftraggeber von Bedeutung ist.

Streit über Nachträge

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht ein Streit zwischen einem Bauunternehmer und seinem Auftraggeber (Besteller) über einen Nachtrag in Höhe von 52.000 Euro aus dem Jahr 2020. Der Unternehmer, welcher mit dem Bau eines Gemeindezentrums beauftragt war, forderte den Besteller im März 2021 auf, eine Bauhandwerkersicherheit gem. § 650 f BGB zu stellen. Da der Besteller dieser Forderung nicht nachkam, erhob der Unternehmer eine Leistungsklage beim zuständigen Kammergericht (KG). Am 04.08.2020 kündigte der Besteller den Bauvertrag aus wichtigem Grund, worauf auch eine wechselseitige Kündigung des Unternehmers nach § 650f Abs.5 BGB erfolgte. Der Unternehmer legte im Prozess eine geänderte Abrechnung der Vergütung unter Berücksichtigung der wechselseitig ausgetauschten Kündigungserklärungen vor.

Grund beweisen und Höhe schlüssig darlegen

Das der Klage stattgebende Urteil des KG wurde durch den BGH wieder aufgehoben. In seinen Entscheidungsgründen verwies der BGH insbesondere auf das Grundsatzurteil vom 20.10.2022 und die dort enthaltenen Leitsätze. Die Karlsruher Richter entschieden, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund des Bestellers nicht vorgelegen habe. Sie bestätigten die Wirksamkeit der Kündigung des Bauvertrages durch den Unternehmer gem. § 650f Abs. 5 BGB. Der schlüssige Vortrag des Klägers zur Höhe der „großen Kündigungsvergütung“ reiche dabei aus, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherheit zu bemessen.

Kein Schätzabschlag nach § 287 Abs. 2 ZPO

Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit komme dabei nach Ansicht des BGH nicht Betracht. Für die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO (richterliche Schadenschätzung), wonach das Gericht den Umfang eines etwaigen anderweitigen Erwerbs des Unternehmers schätzen könne, bestehe kein Raum. Der Bezugspunkt des Kammergerichts, nach dem es auf die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Durchsetzung der Werklohnforderung des Unternehmers im Vergütungsprozess ankomme, sei unzutreffend. Die Höhe der Sicherheit sei unabhängig davon zu bemessen, ob und in welchem Umfang sich der Vergütungsanspruch aufgrund anderweitigen Erwerbs möglicherweise verringert. Der Unternehmer habe die Berechnung der Vergütung überzeugend dargelegt (Schlüssigkeit), was als Voraussetzung für den Anspruch genüge. Mögliche Fehler der Berechnung seien unerheblich. Ein Abzug nach § 287 Abs.2 BGB sei daher nicht gerechtfertigt.

Sicherungsmechanismus des § 650 f BGB

Unternehmer können für ihre Werkleistungen und Nebenforderungen eine Sicherheit nach § 650f BGB fordern. Dies hat in der Praxis besondere Relevanz, da der Unternehmer jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen die Sicherheit in voller Höhe der Auftragssumme verlangen kann. Das Urteil das BGH macht künftig die Nutzung der Sicherungsmechanismen nach § 650f BGB noch attraktiver, zumal dem Unternehmer in dem Fall, dass der Besteller sich weigert, die geforderte Sicherheit zu stellen, jedweder Handlungsspielraum bis hin zur klageweisen Geltendmachung einer Bauhandwerkersicherheit eröffnet ist (Leistungsverweigerungsrecht, Klage auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit, Kündigung des Bauvertrages). Hinzu kommt, dass der Sicherungsmechanismus des § 650f BGB nicht nur auf Bauverträge (mit Ausnahme von Verbraucherbauverträgen) Anwendung findet, sondern ebenso auf Architekten- und Ingenieurverträge. Dies dient stets dem Schutz des vorleistungspflichtigen Unternehmers. Häufig reicht aber bereits aus, den Sicherungsanspruch nach § 650f BGB außergerichtlich geltend zu machen, zumal dem Besteller hiergegen die üblichen Einwendungen wie die Geltendmachung von Baumängeln verwehrt sind.

Das Urteil des BGH dürfte zu einer weiteren Beschleunigung von Rechtsstreitigkeiten rund um die Bauhandwerkersicherheit führen. Gemeinsam mit der Entscheidung vom 20.10.2022 – VII ZR 154/21, in welcher der BGH klarstellte, dass bei Nachtragsforderungen lediglich eine Feststellung des Anspruchsgrunds zu erfolgen habe, hinsichtlich der Höhe des eingeklagten Anspruchs aber ein schlüssiger Vortrag genüge, erweist sich die jüngste Entscheidung auch als konsequent.