Neues zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen in Hessen

15.12.2021

Für die Vergabe freiberuflicher Leistungen gilt in Hessen seit dem 1. September 2021 § 50 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Auf dem Papier wird eine Vergabe von Architekten- und Ingenieursleistungen somit flexibler und trägt den Anforderungen der Vergabepraxis Rechnung. Dies führt hinsichtlich der „richtigen Verfahrenswahl“ nun allerdings zu Unsicherheiten.

Die Beauftragung von freiberuflichen Leistungen „im Wettbewerb“

§ 50 UVgO regelt aufgrund der Anwendungsbestimmung in § 12 Abs. 5 HVTG seit September 2021 als abschließende Sonderregelung die Vergabe von freiberuflichen Leistungen im Unterschwellenbereich. Danach gelten für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen vereinfachte Verfahrensanforderungen.Die Regelung besagt, dass lediglich so viel „Wettbewerb zu schaffen ist, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist“.Die Vergabe von freiberuflichen Leistungen soll somit „grundsätzlich“ im Wettbewerb erfolgen, ohne dass der Wettbewerbsgrundsatz dabei näher definiert wird. Welche Anforderungen genau an den Wettbewerb zu stellen sind, konkretisiert die UVgO nicht.

In erster Linie bleibt es jedoch dabei, dass eine Vergabe an den haushaltsrechtlichen Geboten der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit nach § 7 Abs. 1 LHO auszurichten ist. Die Einhaltung des Wettbewerbsprinzips im Unterschwellenbereich ist dabei an den bekannten vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung zu messen. Der bestmögliche Wettbewerb ist jedoch nur insoweit herzustellen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Beide Rechtsbegriffe sind weitestgehend undefiniert, sodass für den öffentlichen Auftraggeber ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht.

Es sind daher Fälle denkbar, in denen bei zeitlicher Dringlichkeit oder aber auch in Fällen der Verhandlungsvergabe entweder ganz auf ein wettbewerbliches Verfahren verzichtet werden kann oder lediglich ein bestimmter Bieter zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert wird. Grundsätzlich gilt auch hier: Je näher der Auftragswert der zu vergebenden Planungsleistung am maßgeblichen EU-Schwellenwert liegt, desto ausgeprägter sollte auch das Vergabeverfahren ausgestaltet werden.

Wahl der Vergabeverfahrens

Seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2017 ist die UVgO bereits in fast allen Bundesländern eingeführt worden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass aufgrund der mangelnden Verfahrensvorgaben im Unterschwellenbereich noch große Unsicherheiten hinsichtlich der geltenden Gesetzeslage bestehen. Dies führt unter anderem dazu, dass eine Mehrzahl der Auftraggeber die freihändige Vergabe als gängige Verfahrensart wählen.

Durch die Wahl eines einphasigen Vergabeverfahrens mit bereits im Vorfeld ausgewählten und bekannten Planungsbüros aus abgeschlossenen Bauprojekten findet vor Angebotsaufforderung in der Regel keine unternehmensbezogene Eignungsprüfung statt. Auch zieht eine Mehrzahl der öffentlichen Auftraggeber den Preiswettbewerb dem Leistungswettbewerb vor und verzichtet zudem auf Verhandlungsgespräche. Somit ist erkennbar, dass von den in § 50 UVgO eingeräumten Freiheiten (bisher) nur in eingeschränktem Maße Gebrauch gemacht wird.

Die Gründe hierfür liegen meist in der Ressourcenschonung und in den bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der „richtigen“ Verfahrenswahl. Dies hat zur Folge, dass im Regelfall nach dem Prinzip „alt und bewährt“, unabhängig von den Eigenarten der jeweiligen Vergabe, das gleiche Verfahren angewendet wird. Auch mit dem Inkrafttreten der UVgO und dem darin enthaltenen Sonderstatus von freiberuflichen Leistungen bleibt somit das herausfordernde Ziel für die öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieursleistungen unterhalb der Schwellenwerte bestehen: Mit akzeptablem Aufwand soll ein Auftragnehmer in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren gefunden werden, der die wirtschaftlichste Leistung erwarten lässt, ohne dabei die formellen Vorgaben der UVgO anwenden zu müssen. Der öffentliche Auftraggeber kann zu diesem Zwecke ein „eigenes Verfahren“ gestalten oder sich an den Vorgaben der gesamten oder an einzelnen Abschnitten der UVgO orientieren. § 50 UVgO verlangt dabei inhaltlich nicht mehr als ein „Minimalwettbewerbsprinzip“.

Als Orientierungslinie gilt, dass bei Leistungen bis zu einem Auftragswert von 50.000 EUR ein Direktauftrag erfolgen kann. Bei Leistungen ab 50.000 EUR empfiehlt sich die Vergabe im Wege der Aufforderung von mindestens drei geeigneten Bietern zur Angebotsabgabe und einer anschließenden Verhandlung über die Angebotsinhalte. Dies gewährleistet einerseits die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, eröffnet zugleich aber auch die Möglichkeit, verschiedene Konzeptideen abzuwägen und sich für die erfolgversprechendste zu entscheiden. Sofern dies aus zeitlichen Gründen, mangels entsprechender Personalressourcen und infolge eines niedrigen Auftragswertes nicht möglich sein sollte, sind aber auch verfahrensökonomischere Vergaben im Einzelfall geboten und gesetzlich unproblematisch.

Gewonnene Freiheit nutzen

Für die Vergabepraxis bleiben weiterhin einige Fragen hinsichtlich der „richtigen Verfahrenswahl“ offen, die idealerweise noch im Rahmen einer Anpassung des Gemeinsamen Runderlasses zum öffentlichen Auftragswesen (Vergabeerlass) zu klären sind. Öffentliche Auftraggeber sind jedoch gerade aufgrund der neu eingeführten Flexibilität gut beraten, von der „gewonnen Freiheit“ des § 50 UVgO Gebrauch zu machen und die Verfahrenswahl nun an der jeweils zu vergebenden Leistung und den vorhandenen Ressourcen auszurichten.