In einem richtungsweisenden Urteil hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Durchsetzung von Mängelansprüchen in der werkvertraglichen Leistungskette befasst (Urteil v. 09.11.2023 – VII ZR 92/20) und klargestellt, unter welchen Voraussetzungen der Haupt- von seinem Subunternehmer Schadensersatz verlangen kann, wenn er selbst auf Kostenvorschuss vom Auftraggeber in Anspruch genommen wurde.
Mangelhafte Leistung des Subunternehmers
Der auf Holzbau spezialisierte Hauptunternehmer (kurz: HU) wird 2011 vom Auftraggeber (kurz: AG) mit der Dachaufstockung und energetischen Sanierung von mehreren Wohngebäuden beauftragt. Für die Installation der Sanitärsysteme beauftragt der HU wiederum einen spezialisierten Nachunternehmer (kurz: NU). Die Leistungen des NU am Sanierungsprojekt stellen sich als mangelhaft heraus, da die von ihm hergestellten Abwasseranschlüsse nicht den Regeln der Technik entsprechen.
Der HU wird vom AG auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigungsarbeiten in Anspruch genommen und rechtskräftig in einem Vorprozess zur Zahlung verurteilt. Der HU zahlte den Betrag an den AG und verklagte den NU in Höhe dieses Betrages auf Schadensersatz. Nachdem das Landgericht zunächst größtenteils die Klageforderung des HU abwies, sprach das Oberlandesgericht (OLG) dem HU in der Berufung den Schadensersatz in vollem Umfang zu. Das Verfahren geht mit der Revision zum BGH.
Gezahlter Kostenvorschuss an Besteller ist Schaden
Vor dem Obersten Gerichtshof hat der NU vorläufig Erfolg, denn der BGH hebt das Urteil hinsichtlich des Kostenvorschussbetrages auf und verweist den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Er stellt aber klar, dass der HU von seinem Subunternehmer grundsätzlich Schadenersatz verlangen könne, dass er den Kostenvorschuss des AG erfüllt hat. Diesen Schaden könne er dann beim NU ersetzt verlangen. Denn der HU hätte ursprünglich gegen seinen Subunternehmer den Anspruch gehabt, dass dieser die Forderung des AG begleicht.
Allerdings stellt der BGH ebenso fest, dass der im zweckgebundenen Kostenvorschuss enthaltende Schaden des HU nicht endgültig sei. Vielmehr könne der HU von seinem AG die Abrechnung über den Kostenvorschuss und die Rückzahlung nicht verbrauchter Beträge verlangen. In der Lieferkette müsse diese Rückzahlung im Rahmen des sog. Vorteilsausgleich an den NU weitergeben werden, was das OLG jedoch nicht vollständig aufgeklärt und festgestellt habe.
Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs
Der Vorteilsausgleich zwischen HU und NU spielt daher in der werkvertraglichen Lieferkette eine elementare Rolle und ist Dreh und Angelpunkt des Urteils. Er muss berücksichtigt werden, wenn der HU eine zweckgebundene Zahlung an den Besteller geleistet hat, welche eventuell den Schadensersatzanspruch gegen den Subunternehmer limitieren kann. Ob und in welcher Weise die Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der AG bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt hat. Hierbei sind mehrere Konstellationen zu berücksichtigen, nach welchen der HU dann seinen Schaden gegenüber dem NU geltend machen kann. Hat der AG den Kostenvorschuss vollständig zur Mängelbeseitigung aufgebraucht und hierüber Abrechnung erteilt, ist der NU ohne Einschränkung zur vollständigen Erstattung des Vorschussbetrags verpflichtet. Wurde der Vorschussbetrag nicht vollständig vom AG verwendet und das verbliebene Teil zurückgezahlt, muss sich der HU auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den zurückgezahlten Betrag auf den Schadenersatzanspruch anrechnen lassen.
Als weitere Konstellation ist denkbar, dass der AG den Vorschuss nicht vollständig zur Mängelbeseitigung aufgebraucht und auch eine Rückzahlung nicht erfolgt ist. Der „Vorteil“ des HU besteht dann in dem Anspruch auf Rückzahlung des verbleibenden Betrages gegen den AG. Der Schaden muss dann vom NU nicht bezahlt werden, bis der Rückzahlungsanspruch vom HU an Ihn abgetreten wurde. Gleiches gilt für den Fall, dass der AG dem HU noch gar keine Abrechnung über den Kostenvorschuss erteilt hat. Da auch hier der Vorteil des HU – der Anspruch auf Abrechnung und ggf. Rückzahlung eines verbleibenden Betrages – nicht gleichwertig ist mit dem Schadensersatzanspruch, kann der NU das Zurückbehaltungsrecht ausüben und den Schadensersatzanspruch nur gegen die Abtretung der Ansprüche des HU erfüllen.
Prozessuale Bedeutung der Entscheidung
Der BGH hat zudem entschieden, dass der HU und nicht der NU beweisen muss, dass der AG bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt und welchen konkreten Inhalt diese Abrechnung hat. Will der AG den Mangel beseitigen, kann er grundsätzlich Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB vom Werkunternehmer verlangen. In der Lieferkette kann der HU gegen den NU ebenfalls Kostenvorschuss geltend machen oder nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Erstattung des vom ihm erfüllten Kostenvorschussanspruchverlangen. Hierfür ist insbesondere eine Streitverkündung im Prozess gegen den Auftraggeber wichtig, damit unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der mangelhaften Leistung des NU im Folgeprozess vermieden werden. Das neue Urteil des BGH hebt zudem die Wichtigkeit einer detaillierten Dokumentation – auch hinsichtlich der Vorteilsausgleichung – hervor.