Urbanes Gebiet neben Allgemeinem Wohngebiet zulässig

16.05.2022

In einem Urbanen Gebiet dürfen nur solche Nutzungen realisiert werden, die die Anwohner nicht wesentlich stören. Vor diesem Hintergrund verstößt die Ausweisung eines Urbanen Gebiets neben einem Allgemeinen Wohngebiet in der Regel nicht gegen den Trennungsgrundsatz des § 50 S. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg jüngst entschieden.

Hintergrund der Entscheidung

m vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Änderung eines Bebauungsplans. Diese umfasste eine rund 0,7 Hektar große Teilfläche des ursprünglichen Bebauungsplans, nämlich zwei Flurstücke im Osten und ein mit einer Hofstelle bebautes Flurstück im Westen. Der Änderungsplan setzte für die östlichen Flurstücke und einen Teilbereich des westlichen ein Allgemeines Wohngebiet in offener Bauweise fest mit zwei Vollgeschossen und einer Gebäudehöhe von maximal 12,5 Metern. Für das restliche Flurstück im Westen sah der Änderungsplan ein Urbanes Gebiet mit drei Vollgeschossen, einer maximalen Gebäudehöhe von 15,5 Metern und einer Gebäudelänge von mehr als 50 Metern vor. Die in einem Urbanen Gebiet ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten “Vergnügungsstätten und Tankstellen” waren nicht Bestandteil des Bebauungsplanes.

Gegen diesen Änderungsplan wendeten sich die Antragsteller vor dem OVG. Sie begründeten dies unter anderem damit, dass die geplante Bebauung mit den nebeneinanderliegenden Gebietstypen nicht lösbare Lärmkonflikte verursachen würde.

Keine Unvereinbarkeit der Gebietstypen

Das OVG Lüneburg stellte in seiner Entscheidung (Beschluss vom 24.03.2022 - 1 MN 131/21) klar, dass die Planung entgegen der Ansicht der Antragsteller keine unlösbaren Lärmkonflikte verursachen würde. Insbesondere verstoße die Ausweisung eines Urbanen Gebiets neben einem Allgemeinen Wohngebiet nicht gegen den Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG). Bereits die Ausweisung eines Urbanen Gebiets stelle hinreichend sicher, dass die zulässigen Nutzungen mit den vorhandenen schutzbedürftigen verträglich seien. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BauNVO dienen Urbane Gebiete dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Es sei daher nicht ersichtlich, inwiefern durch die ausgewiesene Urbane Fläche von vornherein Immissionsprobleme produziert würden, die nicht im Rahmen des bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens bewältigt werden könnten.

Auch die nunmehr durch den Änderungsplan geschaffenen Bau- und Nutzungsmöglichkeiten ließen schon im Hinblick auf die nach § 6a BauNVO zulässigen Nutzungsarten nicht erwarten, dass sich die Verkehrslärmbelastung unzumutbar erhöhen würde. Dagegen spräche auch nicht, dass in einem der Planung zugrunde liegenden Schallgutachten keine Varianten für soziale, kulturelle oder ähnliche Zwecke berechnet worden seien. Die Nutzungsarten in einem Urbanen Gebiet seinen grundsätzlich nur insoweit zulässig, als sie das Wohnen nicht wesentlich störten. Dies schließe von vorneherein aus, dass in dem Gebiet Einrichtungen realisiert würden, die einen nicht tolerierbaren Ziel- und Quellverkehr auslösten.

Ferner verwies das OVG darauf, dass durch die Einhaltung der Abstandsflächen keine erdrückende Wirkung der Bebauung des Urbanen Gebietes auf das Allgemeine Wohngebiet ausgehen könne.

Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten ermöglichen

Die Entscheidung des OVG Lüneburg verdeutlicht die hinter § 6a BauNVO stehende gesetzgeberische Intention: Durch das Urbane Gebiet soll den Kommunen in stark verdichteten städtischen Gebieten mehr Flexibilität eingeräumt werden, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau zu verlassen. Das Urbane Gebiet soll demnach gerade das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten ermöglichen.

Im Hinblick auf die im Urbanen Gebiet ausnahmsweise zugelassenen Nutzungen (Vergnügungsstätten und Tankstellen) ist somit im Einzelfall zwar stets die Vereinbarkeit mit einem benachbarten Allgemeinen Wohngebiet sorgfältig zu untersuchen – eine grundsätzliche Unvereinbarkeit der Gebietstypen folgt hieraus jedoch nicht. Sollte ein bestimmte Nutzung zu Lärmkonflikten führen, kann diese in den Festsetzungen des Bebauungsplans zudem ausgeschlossen werden. Darüber hinaus können mögliche Lärmkonflikte dadurch vermieden werden, dass Lärmpegelbereiche festgelegt und daran angepasste Schallschutzmaßnahmen getroffen werden. Die Ausweisung eines Urbanen Gebietes neben einem Allgemeinen Wohngebiet ist somit grundsätzlich möglich. Ihr sollte aber stets eine umfassende und sachgerechte Ermittlung der entstehenden Nutzungskonflikte vorausgehen. In der planungsrechtlichen Praxis sollte somit spätestens in der Abwägungsentscheidung ein entsprechender Schwerpunkt auf die Vereinbarkeit der Ausweisungen gelegt werden.