Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15.02.2024 (VII ZR 42/44) zur Vertragsstrafe dürfte sich auf die Wirksamkeit vieler bereits geschlossener Verträge und auch auf die zukünftige Vertragsgestaltung erheblich auswirken. Denn danach ist eine Vertragsstrafenregelung unwirksam, wenn diese (auch nur) abstrakt die Möglichkeit schafft, dass mehr als 5 % des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers der Sanktionshöhe unterfallen.
Problematische Bezugnahme auf die Auftragssumme
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Wirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel zu prüfen, die vorsah, dass „die Vertragsstrafe maximal auf 5 % der im Auftragsschreiben genannten Vertragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt sei“. Diese Vereinbarung war Gegenstand eines Einheitspreisvertrages. Wesen eines Einheitspreisvertrages ist es (im Gegensatz zu einem Pauschalpreisvertrag), dass die Vergütung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht feststeht, sondern lediglich die Vergütung der Mengen und Massen. Ausgehend davon kann es dazu kommen, dass deutlich weniger Mengen und Massen anfallen als ursprünglich vorgesehen, sodass auch die Gesamtvergütung die ursprünglich kalkulierte Höhe über- oder unterschreitet. Würde die Vertragsstrafe im Fall der Unterschreitung der kalkulierten Vergütung weiterhin an den 5 % der im Auftragsschreiben benannten Vertragssumme gemessen werden, würde die Vertragsstrafe folglich zu hoch ausfallen. Dies könnte für den Auftragnehmer dazu führen, dass nicht nur sein Gewinn durch die Vertragsstrafe aufgezehrt wird, sondern er darüber hinaus einen spürbaren Verlust zu verkraften hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGHs ist darin daher eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers zu sehen, die gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel führt.
Eine mögliche unangemessene Benachteiligung reicht aus
Die Besonderheit dieses Urteils besteht nicht darin, dass die Höchstgrenze auf 5 % des Vergütungsanspruchs festgelegt worden ist, da dies bereits der ständigen Rechtsprechung entspricht. Vielmehr liegt sie darin, dass allein die abstrakte Möglichkeit der unangemessenen Benachteiligung für sich genommen die Unwirksamkeit herbeiführen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die 5 % der Vergütungssumme im konkreten Fall tatsächlich überschritten werden, vielmehr ist die Klausel bereits dann unwirksam (und unanwendbar), wenn diese das Potenzial einer unwirksamen Auslegung mit sich bringt.
Wie erreicht man die Wirksamkeit der Vertragsstrafe?
Zur Vereinbarung einer wirksamen Vertragsstrafe ist es daher erforderlich, dass sich diese nicht an der Auftragssumme bemisst, sondern vielmehr an der konkreten Höhe des Vergütungsanspruchs. Allerdings kann die Höhe des Vergütungsanspruchs insbesondere bei Einheitspreisverträgen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgesehen werden, weshalb auf die spätere Abrechnungssumme Bezug zu nehmen ist. Denn dieser Begriff macht klar, dass es sich nicht um die Schlussrechnungssumme handelt, d.h. um die Summe, die der Auftragnehmer nach Fertigstellung seiner Leistungen in Rechnung stellt, sondern um die Höhe der tatsächlichen Vergütung nach Prüfung der Schlussrechnung durch den Auftraggeber. Schließlich unterschreitet die Höhe der tatsächlichen Vergütung häufig die Höhe der seitens des Auftragnehmers gestellten Schlussrechnung.
Darüber hinaus ist klar zu konkretisieren, ob sich die Höchstgrenze anhand des Nettobetrags der Abrechnungssumme bemisst oder anhand des Bruttobetrags. Enthält der Vertrag keine entsprechende Konkretisierung, kann diese Uneindeutigkeit wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot ebenfalls zur Unwirksamkeit der Klausel führen.
Zur Vereinbarung einer wirksamen Vertragsstrafenklausel ist es daher zwingend erforderlich, dass die Klausel neben einer klaren Bezugnahme auf die tatsächliche Vergütungshöhe auch im Hinblick auf die Umsatzsteuer unmissverständlich formuliert ist.
Was bedeutet diese Rechtsprechung für den Auftraggeber?
Üblicherweise erstellt der Auftraggeber den Vertragstext und gilt damit als Verwender des Vertrags. Die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zulasten des Auftraggebers führt folglich zur Unwirksamkeit der Klausel, sodass sich der Auftraggeber auf diese nicht berufen kann.
Nichtsdestotrotz bleibt die Vertragsstrafe ein für den Auftraggeber wichtiges Werkzeug, um sich bei der Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten zumindest bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne die Erforderlichkeit von Einzelnachweisen schadlos zu halten. Allerdings muss sich diese Druck- und Kompensationsfunktion der Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halten und in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn des Auftragnehmers stehen.
Um dies zu erreichen, ist bei der Vereinbarung der Vertragsstrafe die aktuelle Rechtsprechung zu beachten. Neben dem hier dargestellten Urteil ist insbesondere auch die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2022 (Urt. 05.05.2022 – VII ZR 176/20) bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen, nach der klar und eindeutig festzulegen ist, ob sich die Vertragsstrafe mit oder ohne die Umsatzsteuer berechnet.
Die Parteien sollten wissen, dass ihnen neben der Anpassung zukünftiger Vertragsmuster auch die Möglichkeit offensteht, nach Vertragsschluss noch klarstellende Vertragsergänzungen vorzunehmen. Zur nachträglichen Anpassung bedarf es allerdings stets der Zustimmung des Vertragspartners.