Der Widerspruch gegen eine bauaufsichtliche Beseitigungsverfügung hat in der Regel aufschiebende Wirkung. Vor der tatsächlichen Beseitigung sollten daher zunächst immer das Rechtsbehelfsverfahren abgewartet werden. Grund hierfür ist der starke Eingriff in Form eines Bausubstanzverlustes. In Ausnahmefällen kann eine Behörde in jedoch die Beseitigungsverfügung unter der Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassen, sodass ein Rechtsbehelfsverfahren zu keiner Verzögerung führt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat in einer Entscheidung (1 ME 121/23) die einschlägigen Fallgruppen herausgearbeitet.
Beseitigung des Fischteichs
In dem zugrundeliegenden Fall ging es um die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, wonach die aufschiebende Wirkung der Beseitigungsverfügung wiederhergestellt wurde. Denn die Antragsgegnerin bzw. Beschwerdeführerin hatte dem Antragsteller bzw. Beschwerdegegner die Beseitigung eines Gartenteichs auferlegt.
Der Antragssteller hatte nach dem genehmigten Abriss eines Hauses im Außenbereich einen Fischteich angelegt, der in der Mitte bis zu 2 Meter tief war. Nach seiner Aussage diente dieser der Freizeitgestaltung. Nach dem Eingang eines Hinweises stellte die Antragsgegnerin fest, dass für die Errichtung des Teichs keine Genehmigung vorlag. Aus diesem Grund verlangte die Antragsgegnerin vom Antragssteller die sofortige Beseitigung des Teichs. Der zugrundeliegende Bescheid wurde unter der Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassen.
Der Antragssteller wendete sich mit seinem Eilantrag gegen die Verfügung der Antragsgegnerin, da eine Beseitigung des Teichs nicht vor Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens geboten sei. Das Verwaltungsgericht (VG) stimmte dem zu und stellte die aufschiebende Wirkung wieder her. Gegen diese Entscheidung legte die Antragsgegnerin Beschwerde vor dem OVG ein.
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
Das OVG bestätigte die Entscheidung des VG und wies die Beschwerde zurück. Ferner stellte das OVG fest, dass eine sofortige Vollziehung einer Beseitigungsanordnung aufgrund des damit einhergehenden Substanzverlustes nur im Ausnahmefall geboten ist. Hierfür habe man verschiedene Fallgruppen entwickelt, die im vorliegend zu beurteilenden Fall jedoch keine Anwendung fänden. Ein Vorrang der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs kommt selbst dann in Betracht, wenn das Vorhaben zu keinem Zeitpunkt Bestandsschutz genossen hat.
Hiergegen sei dem Vollzugsinteresse der Behörde nur in wenigen Einzelfällen Vorrang einzuräumen. Das Verwaltungsgericht konkretisiert diese Einzelfälle, in dem es Bezug nimmt auf verschiedene eigens entwickelten Fallgruppen.
Fallgruppe des notorischen Schwarzbauers
Ein Ausnahmefall liegt dann vor, wenn der Rechtsbehelf durch den Antragssteller missbräuchlich in Anspruch genommen wird, es bei ihm in der Vergangenheit bereits wiederholt zu Baurechtsverstößen gekommen ist – er somit ein notorischer Schwarzbauer sei – oder wenn das Vorhaben eine besondere Gefahr für Nachahmungen begründet.
Die vom niedersächsischen OVG entwickelte Fallgruppe des „notorischen Schwarzbauers“ soll verhindern, dass Bauherrn durch die Erhebung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage die damit einhergehende aufschiebende Wirkung gezielt instrumentalisieren und somit Vorhaben, die von ihnen selbst als baurechtswidrig erkannt wurden, in dieser Zeit gewinnorientiert nutzen.
Das OVG vergleicht dieses Vorgehen mit einem „Katz-und-Maus-Spiel“ zwischen Bauherrn und Bauaufsicht. In diesen Fällen kann ausnahmsweise das Vollzugsinteresse überwiegen, um dem Bauherrn nicht den Eindruck zu vermitteln, dass hartnäckige Rechtsbrüche sich letztlich auszahlen. Diese Fallgruppe wurde im vorliegenden Fall jedoch abgelehnt, da der Antragssteller keinen vergleichbaren Verstoß in der Vergangenheit begangen hatte.
Nachahmungsgefahr
Eine „Nachahmungsgefahr“ bestand vorliegend ebenfalls nicht. Denn an diese vom OVG konkretisierte Fallgruppe sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Es genügt - so das OVG - nicht bereits aus, dass eine abstrakte Gefahr für Nachahmungen besteht. Vielmehr muss entweder bereits ein konkreter Fall gegeben sein, in welchem man mit einem Nachahmer rechnet, oder aber das Vorhaben muss seiner Natur nach derart attraktiv sein, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit einer stark erhöhten Nachahmungsgefahr zu rechnen ist. Zudem muss bereits der vorübergehende Bestand diese Gefahr bewirken. Diese Merkmale waren im vorliegenden Fall ebenfalls nicht erfüllt.
Die Fälle, in denen eine sofortige Vollziehung der Beseitigungsverfügung ausnahmsweise einmal geboten ist, sind rar. In den überwiegenden Fällen lässt sich ein solches Vorgehen wohl nicht rechtfertigen, weshalb der Rechtsbehelf gegen Abrissverfügungen in der Regel eine aufschiebende Wirkung begründet.