Einem Auftragnehmer steht eine vereinbarte Vergütung (abzüglich ersparter Aufwendungen) auch dann zu, wenn sich die Parteien einvernehmlich geeinigt haben, dass die Leistungsposition nicht zur Ausführung kommen soll. So hat das Oberlandesgerichts (OVG) Hamm (Urt. v. 05.07.2024 – 12 U 95/22) jüngst entschieden. Die üblicherweise für Mengenminderungen geltenden Grundsätze der VOB/B finden nach Ansicht des Gerichts hier keine Anwendung.
Einvernehmlicher Ausführungsverzicht
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Auftraggeber den Auftragnehmer auf Grundlage der VOB/B zu Einheitspreisen mit dem Einbau von Metallbaufenstern beauftragt. Die Parteien einigten sich nach Beginn der Ausführung darauf, dass statt der ursprünglich vereinbarten Fenster nun Lamellen-Luftlüftungsgitter verbaut werden sollten. Der Auftragnehmer hatte jedoch das nun nicht mehr benötigte Material bereits erworben, sodass ihm Materialkosten in Höhe von 55 % des angegebenen Positionspreises entstanden waren. Der Auftraggeber sah jedoch keine Veranlassung zur Vergütung dieser Materialkosten; schließlich hatten sich die Parteien einvernehmlich auf eine Alternativposition geeinigt, die ihrerseits vollumfänglich vergütet worden war.
Keine Anwendbarkeit der VOB/B-Vorgaben zu Mengenminderungen
Bei der vorliegenden in Streit stehenden Position, die nicht ausgeführt worden ist, handelt es sich um eine sogenannte „Nullposition“. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 26.01.2012 – VII ZR 19/11) hat bereits vor einigen Jahren entschieden, dass diese Nullpositionen nach Maßgabe der Vorgaben zu Mindermengen gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B zu vergüten sind. Danach kommt eine Preisanpassung in Betracht, wenn die ausgeführte Menge um mehr als 10 % von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang abweicht. Diese VOB/B-Regelung dient als Korrektiv für die häufig im Verlauf des Bauvorhabens entstehenden Abweichungen der Mengenvordersätze, die im Vorhinein lediglich anhand des Aufmaßes geschätzt werden können. Allerdings gelten diese Grundsätze für Nullpositionen nur dann, wenn - wie in den üblichen Anwendungsfällen des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B - eine Äquivalenzstörung vorliegt. Diese ist dann anzunehmen, wenn sich die anfängliche Schätzung des Mengenvordersatzes als unzutreffend erweist. Schließlich liegt es in der Natur von Schätzungen, dass die späteren tatsächlichen Begebenheiten davon abweichen können. Wenn der Auftraggeber aber bewusst auf eine Position verzichtet, soll dies keine Äquivalenzstörung darstellen, da der vollständige Verzicht nicht mit der Ungenauigkeit einer Prognose zu vergleichen ist. Folglich scheidet eine Anwendung des § 2 VOB/B für Fallgestaltungen aus, in dem die Parteien einvernehmlich einen Ausführungsverzicht vereinbaren.
Erhalt der vollständigen Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen
Nichtsdestotrotz entspricht es der in der Literatur einhellig vertretenen Auffassung, dass dem Auftragnehmer bei Wegfall einzelner Leistungspositionen im Rahmen eines Einheitspreisvertrages weiterhin ein Anspruch auf Vergütung der Beträge zustehen soll, die zur Deckung der unabhängig von der Leistungserbringung anfallenden Gemeinkosten sowie des Gewinns entstanden sind. Da § 2 VOB/B im vorliegenden Fall aus den genannten Gründen keine Anwendung finden kann, kommt lediglich eine Abrechnung nach § 8 VOB/B bzw. § 648 BGB in Betracht. Dies führt dazu, dass dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zusteht, er sich jedoch die Kosten anrechnen lassen muss, welche er infolge der teilweisen Aufhebung des Vertrages erspart hat oder durch andere Verwendung seiner Arbeitskraft oder des Betriebes erwirbt. Als gesetzgeberische Wertung steht dahinter, dass die Kalkulationsgrundlage des Auftragnehmers stets der Gesamtauftrag war, sodass es unbillig wäre, würde der Auftragnehmer für die entfallende Position keine Kompensation erhalten.
Kann der Vergütungsanspruch vermieden werden?
Letztlich können ein - wie vorliegend - langwieriger und kostspieliger Rechtsstreit ebenso wie eine zähe Auseinandersetzung über die Höhe der berechtigten Vergütungsforderung dadurch vermieden werden, dass sich die Parteien bereits im Vorhinein über die Höhe der Vergütung der Nullposition einigen. Dies hätte im vorliegenden Fall bestenfalls zu dem Zeitpunkt erfolgen sollen, als sich die Parteien auf den Ausführungsverzicht einigten. Folglich entspricht es unserer Empfehlung, eine Vereinbarung über die Vergütung rechtzeitig zu treffen, d.h. bestenfalls vor Beginn der Ausführung der Alternativposition. Ein Vergütungsanspruch für Nullpositionen kann allerdings nur dann vermieden werden, sollte sich der Auftragnehmer mangels ihm entstandener Kosten darauf einlassen.
Abschließend bleibt zu beachten, dass die vorstehende Rechtsprechung keine Anwendung auf sogenannte „Bedarfspositionen“ findet, sprich auf Positionen des Leistungsverzeichnisses, die lediglich auf ausdrückliche Anordnung des Auftraggebers zur Ausführung gelangen. Sofern diese Positionen seitens des Auftraggebers nicht angeordnet und folglich nicht ausgeführt werden, entsteht in der Folge auch kein Vergütungsanspruch zugunsten des Auftragnehmers.