OLG Celle: Leistungsphase 8 gemäß § 15 HOAI 1996 beinhaltet Untersuchungs- und Mitteilungspflicht

08.02.2016

Der Bauherr (AG) beauftragte 1998 den beklagten Architekten (A) mit der Planung und Überwachung (Leistungsphasen 1 bis 8) der Errichtung eines Bürotraktes für ihren Betrieb. Die Beauftragung der Leistungsphase 9 ist zwischen den Parteien streitig. Am 13. September 1999 nahm der AG das Objekt in Betrieb. Sie beglich die Schlussrechnung des A vom 6. Juni 2000. Im März 2002 drang an einem Dachflächenfenster Feuchtigkeit in das Gebäude ein. Der AG rügte diesen Mangel dem A gegenüber mit Schreiben vom 7. März 2002. Der A veranlasste die Nacherfüllung durch den Dachdecker. Diese war nicht erfolgreich und es traten in der Folgezeit weitere Undichtigkeiten im Bereich der Dachflächenfenster auf. Die AG ließ sich ein Angebot zur Sanierung des Daches zum Preise von 33.033,52 € netto erstellen. Mit der am 23.11.2011 zugestellten Klage verlangt der AG vom A wegen Planungs- und Überwachungsfehlern Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten. Der Architekt wandte Verjährung ein. Das Landgericht verurteilte den Architekten antragsgemäß. Gegen das Urteil hat A Berufung eingelegt.

Die Berufung des A blieb ohne Erfolg. Das Werk des A ist mangelhaft. Er hat bei der ihm übertragenen Bauplanung nicht darauf geachtet, dass das Dach auf dem Bürotrakt des Betriebs des AG regensicher errichtet wird. Der A hat den Mangel auch zu vertreten. Bei Anwendung der Sorgfalt, die von ihm als Fachmann im Verkehr zu erwarten war (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.), hätte er angesichts der übergroßen Sparrenlänge, Unterschreitung der Regeldachneigung und der exponierten Lage des Daches darauf achten müssen, dass das Dach mit einer ausreichenden Überdeckung der Dachziegel und dem Verkleben der Unterspannbahn angeboten und ausgeführt wurde. Die Undichtigkeiten sind somit auf einen Planungs-, zumindest aber auf einen Überwachungsfehler des A zurückzuführen, so dass er für den daraus entstandenen Schaden haftet. Mit der Verjährungseinrede kann der Architekt auch nicht durchdringen. Die Verjährung gilt nicht aus dem Grunde als eingetreten, dass der Sekundärschadensersatzanspruch verjährt ist. Der "Sekundäranspruch" unterliegt der regelmäßigen Verjährung. Die Zustellung der Klage am 23.11.2011 hat seine Verjährung gehemmt. Frühestens seit dem Jahr 2002 lief die 10-jährige Verjährung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB. Der A hatte frühestens, als im Jahre 2002 erstmals Wasser in den Bürotrakt des AG eintrat, Anlass zur Untersuchung der Ursache, und der AG hat erst durch das Gutachten im Jahr 2011 Kenntnis von der Verantwortlichkeit des A erlangt, so dass die dreijährige Verjährung des § 195 BGB erst ab Ende des Jahres 2011 gelaufen wäre (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Das OLG lässt dahin stehen, ob der Architekt auch mit der Leistungsphase 9 beauftragt wurde. Wenn dies nicht der Fall war, hätte die fünfjährige Verjährungsfrist mit der Bezahlung der Schlussrechnung des Architekten (als konkludente Abnahme) am 06.06.2000 begonnen, und wäre am 06.06.2005 abgelaufen.

Praxishinweis:

Die Sekundärhaftung der Architekten hat vor dem Hintergrund oft erst lange nach der Fertigstellung eines Bauvorhabens auftretender Baumängel große praktische Bedeutung. Sie ist seit Langem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, aber nicht unumstritten. Nach § 199 BGB beginnt die Verjährung dann, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt. Anspruchsbegründende Umstände sind die Nichtaufklärung des Bauherrn über die Eigenhaftung durch den Architekten. In dem Augenblick, in dem der Architekt Kenntnis von einem Mangel erlangt und den Bauherrn nicht darüber aufklärt, ist der Anspruch entstanden. Klärt der Architekt nicht innerhalb der Gewährleistungspflicht darüber auf, so beginnt die Sekundärhaftung mit Ablauf dieser Gewährleistungspflicht. Entscheidend kommt es dann auf die Kenntnis des Bauherrn von den Fehlern des Architekten an. Ab Kenntniserlangung läuft dann eine dreijährige Verjährung, beginnend am Ende des Jahres, in dem der Bauherr eben diese Kenntnis erlangt. Insgesamt ist auch dieser Anspruch jedoch auf 10 Jahre begrenzt (§ 199 III BGB). Die LP 9 muss somit nicht übertragen werden, um eine Sekundärhaftung auszulösen (BGH, IBR 2007, 85; IBR 2013, 750).