OLG Oldenburg: Unternehmer trägt Prognoserisiko, Besteller darf auf die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens vertrauen

21.01.2016

Der Auftragnehmer (AN) hat den Auftraggeber (AG) auf restlichen Werklohn für die Durchführung von Bodenbelagsarbeiten in einer Schule in Anspruch genommen. Die Parteien hatten die VOB/B vereinbart. Im Abnahmetermin war wegen Mängeln in den Räumen die Abnahme verweigert worden. Der AG hat nach erfolgloser Aufforderung zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung des AN in zwei Räumen im Wege der Ersatzvornahme den von diesem erstellten Bodenbelag neu herstellen lassen und u. a. diese Kosten in Höhe von 13.942,58 € der Forderung des AN entgegengehalten. Der AG beauftragte vor Beauftragung der Ersatzvornahme einen Privatsachverständigen, der den Austausch des verlegten Fußbodens für erforderlich hielt. Das Landgericht ist nach durchgeführtem selbständigem Beweisverfahren davon ausgegangen, dass die Werkleistung des AN nicht frei von Mängeln gewesen sei und der AG daher der offenen Werklohnforderung des AN Aufwendungen für eine Ersatzvornahme habe entgegenhalten können. Die insoweit erforderlichen Kosten hätten nach Auffassung des vom Gericht eingeschalteten Sachverständigen aber lediglich 3.138,80 € betragen. Dem Privatsachverständigen des AG wurde durch diesen der Streit verkündet. Der AG hatte Berufung gegen das Urteil des LG Oldenburg eingelegt.

Die Berufung hat Erfolg. Gestützt auf den gerichtlichen Sachverständigen war das Landgericht davon ausgegangen, dass die einzelnen Stellen hätten nachgebessert werden können. Demgegenüber hatte der von dem AG eingeschaltete Privatsachverständigen (= Streithelfer) in seinem Gutachten ausgeführt, das die Beläge in den zwei Räumen einschließlich der Vorarbeiten zu erneuern seien, wobei er in einem Raum neben den Unebenheitstoleranzen auch noch eine nicht fachgerechte Verlegung festgestellt hatte. Es kann dahinstehen, ob aus technischen Gründen tatsächlich eine vollständige Neuverlegung erforderlich war. Entscheidend ist die Rechtsprechung des BGH zum sog. Prognoserisiko. Der BGH (Urteil vom 7. März 2013, VII ZR 119/10) hat zu § 8 VOB/B ausgeführt:

"Der Auftraggeber kann Erstattung der Fremdnachbesserungskosten verlangen, die er als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Hat er sich sachkundig beraten lassen, kann er regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die ihm aufgrund dieser Beratung entstanden sind. Das mit der sachkundig begleiteten Beurteilung einhergehende Risiko einer Fehleinschätzung trägt der Auftragnehmer. Dieser hat deshalb die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen sich im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen."

Der AN hat für die Maßnahmen, die auf Empfehlung des Sachverständigen durchgeführt worden sind - hier Erneuerung der Böden in den beiden Räumen - unabhängig davon aufzukommen, dass sie möglicherweise in diesem Maße nicht erforderlich gewesen wären. Die Kosten für die Ersatzvornahme haben 13.942,58 € betragen.

Praxishinweis:

Die Entscheidung ist nicht überraschend und entspricht ständiger Rechtsprechung. Zu den erforderlichen Mängelbeseitigungskosten gehören alle Kosten, die nach einer solchermaßen gewonnenen Auffassung des Bestellers durch Maßnahmen entstehen, mit deren Hilfe die aufgetretenen Mängel mit Sicherheit beseitigt werden können. Der Erstattungsanspruch des Bestellers ist erst dann gemindert, wenn die Grenzen des von ihm für erforderlich gehaltenen Aufwands überschritten sind und er bei der Auswahl des Drittunternehmers die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat (vgl.OLG Hamm, Urteil vom 25.11.2014 - 24 U 64/13). Auf die objektive Erforderlichkeit teurer Sanierungsarbeiten kommt es somit nicht an. Entscheidend ist im Rahmen der benannten Grenzen, was der Besteller subjektiv für erforderlich halten durfte.