VK Nordbayern: Öffentliche Auftraggeber müssen Urkalkulation nachfordern

15.01.2016

Die Vergabestelle (VSt) schrieb für die Sanierung und Erweiterung eines Bauvorhabens Gerüstbauarbeiten im Offenen Verfahren aus. Das Verfahren wurde im Supplement zum Amtsblatt der EU veröffentlicht. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist u.a. angekreuzt: Urkalkulation in verschlossenem Umschlag. Drei Bieter haben sich am Wettbewerb beteiligt. Die Antragstellerin (Ast) hat das günstigste Angebot mit abgegeben, die Beigeladene (BGl) lag auf Platz 2. In der Submissionsniederschrift ist bei der BGl in der Spalte "Bemerkungen" eingetragen: keine Urkalkulation. Die BGl rügte telefonisch den Ausschluss ihres Angebotes und reichte die Urkalkulation und die Aufgliederung der Einheitspreise nach. Mit Schreiben vom 28.08.2015 teilte die VSt der ASt mit, dass ihr Informationsschreiben vom 14.08.2015 für ungültig erklärt werde. Dem Schreiben war ein Informationsschreiben nach § 101 a GWB beigefügt, in welchem die VSt mitteilte, dass die ASt nicht das wirtschaftlichste Angebot gem. § 16 Abs. 6 Nr. 3 EG VOB/A abgegeben habe und geplant sei, den Zuschlag auf das Angebot der BGl zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 02.09.2015 rügte die ASt die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die BGl. Der Verfahrensverstoß liege darin, dass die Angebotsunterlagen zum Zeitpunkt des Einreichungstermins seitens der BGl nicht vollständig vorgelegt worden seien, insbesondere die geforderte Urkalkulation in verschlossenem Umschlag nicht beigefügt gewesen sei. Dies stelle einen Verstoß gegen Formvorschriften dar, der zwingend zum Ausschluss der BGl führen müsse. Die VSt äußerte sich nicht zur Rüge der ASt.

Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag der ASt für unbegründet. Die Wertung des Angebots der BGl durch die VSt erfolgte rechtmäßig. Die BGl hat die fehlende Urkalkulation rechtzeitig nachgereicht. § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A fordert von der VSt bei Fehlen von geforderten Erklärungen und Nachweisen, dass diese nachverlangt werden. Diese Regelung verpflichtet den Auftraggeber darauf hinzuwirken, dass ein Bieter seinen ersten Fehler korrigiert und so den Ausschluss seines Angebots vermeidet (vgl. Summa, in: Juris Praxiskommentar Vergaberecht, 4. Auflage, 2013, § 16 VOB/A Rn 170). Die Nachforderung steht nicht in seinem Ermessen. der geforderten Urkalkulation handelt es sich um eine Erklärung im Sinne des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Es handelt sich um eine leistungsbezogene Erklärung des Bieters, die der Nachforderungspflicht unterliegt. Es liegt insbesondere bei einer nachgereichten Urkalkulation keine wettbewerbsrelevante Aufbesserung des Angebots der BGl vor. Die Urkalkulation ist weder Angebotsbestandteil noch Vertragsbestandteil. Sie dient vielmehr der Vereinbarung neuer Preise im Rahmen von Nachträgen. Zwar hat die VSt vorliegend keine ausdrückliche Nachforderung der Unterlagen durchgeführt und der BGl demgemäß auch keine Frist gesetzt. Dies war jedoch vorliegend nicht relevant, da die BGl nach Erhalt der Information die fehlende Urkalkulation umgehend nachgereicht hat. Hiermit hat sie auch die Sechstagefrist des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A eingehalten, so dass es auf die ausdrückliche Anforderung durch die VSt nicht mehr ankommt.

Praxishinweis:

Die Entscheidung bestätigt ein weiteres Mal, dass es sich bei der Urkalkulation um eine leistungsbezogene Erklärung des Bieters, die der Nachforderungspflicht unterliegt, handelt. Die Urkalkulation ist eine Erklärung im Sinne des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (2012). Danach können die fehlenden Unterlagen nachgereicht werden; wenn diese fehlen, müssen sie sogar von der VSt nachgefordert werden.