VG Stuttgart: Eilanträge gegen Flüchtlingsunterkünfte in mehreren Fällen erfolglos

06.01.2016

Die Landratsamt Esslingen erteilte am 11.05.2015 dem Landkreis Esslingen die auf fünf Jahre befristete Baugenehmigung. Das Baugrundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans; die Umgebung besteht aus Feldern, Wiesen und Wald. Die Grundstücke der Antragsteller grenzen nördlich an das Baugrundstück an. Auf diesen bauen die Antragsteller Tierfutter an bzw. halten dort Pferde und Ponys. Gegen die erteilte Baugenehmigung hatten die Antragsteller erfolglos Widerspruch erhoben und stellten am 04.08.2015 beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag.

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts wies den Eilantrag zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:

Das Bauvorhaben verstoße aller Voraussicht nach nicht gegen - allein zu prüfende - nachbarschützende Vorschriften. Ob das Bauvorhaben den Darstellungen des Flächennutzungs-, des Landschafts- oder des Regionalplans widerspreche oder, wie von den Antragstellern auch geltend gemacht, in den Lebensraum des Gebirgsgrashüpfers eingreife, könne dahinstehen. Mangels einer Verletzung in subjektiven Rechten könnten sich die Antragsteller nicht darauf berufen. Auch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Das Landratsamt Esslingen versuche mithilfe des Bauvorhabens seiner gesetzlichen Pflicht, Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, gerecht zu werden. Da die Flüchtlingszahlen in den letzten Monaten offenkundig und auch gerichtsbekannt stark angestiegen seien, liege es auf der Hand, dass die bisherigen Unterbringungskapazitäten nicht ausreichten und neue Wohnungen/Sammelunterkünfte gebaut werden müssten. Dem stünden auf Seiten der Antragsteller keine durch das Bauvorhaben zu erwartenden, im Rahmen des Baurechts zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen gegenüber, die die Antragsteller besonders schutzwürdig erscheinen ließen.

Soweit die Antragsteller vortragen würden, sie befürchteten Lärmbelästigungen und rechneten damit, dass die untergebrachten Flüchtlinge ihren Müll achtlos wegwürfen und so die Tierhaltung und die Futtergewinnung gefährdeten, seien derartige Belästigungen nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung, sondern nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles möglicherweise von Relevanz für das Polizei- und Ordnungsrecht oder das zivile Nachbarrecht. Dass die Antragsteller in der Nutzungsmöglichkeit ihrer Grundstücke unzumutbar beeinträchtigt oder gar gehindert wären, sei nicht ersichtlich. Sie könnten ihre Grundstücke weiterhin zu landwirtschaftlichen Zwecken nutzen. Die Pferdehaltung der Antragsteller werde durch die Flüchtlingsunterkunft ebenfalls nicht beeinträchtigt. Das Grundstück, auf dem die Antragsteller die Pferde hielten, liege über 200 Meter vom Baugrundstück entfernt. Bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handele es sich um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, selbst wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten von Flüchtlingen teilweise von denen der Ortsansässigen abheben sollten.

Im 2. Fall ("Ostfildern") erteilte die Stadt Ostfildern dem Landkreis Esslingen am 07.07.2015 die Baugenehmigung zur Errichtung einer Gemeinschaftsunterkunft „für soziale Zwecke“ (47 Container, davon 27 Wohncontainer) in Ostfildern, deren Geltungsdauer bis zum 31.05.2017 befristet wurde. Der (einfache) Bebauungsplan für den Bereich „Ob der Halde“ weist das Gebiet, in dem die Gemeinschaftsunterkunft errichtet werden sollen, als „Sportplatzgelände“ aus. Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks, auf dem sich eine von ihr betriebene Vereinsgaststätte mit zwei Dreizimmerwohnungen befindet. Gegen die erteilte Baugenehmigung hat die Antragstellerin am 24.07.2015 beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gestellt.

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts wies den Eilantrag zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:

Das Bauvorhaben verstoße aller Voraussicht nach nicht gegen - allein zu prüfende - nachbarschützende Vorschriften. Der Einwand der Antragstellerin, die in der angegriffenen Baugenehmigung erteilte Befreiung von der im Bebauungsplan als „Sportplatzgelände“ festgesetzten Art der baulichen Nutzung sei rechtswidrig, da die Grundzüge der Planung berührt seien, habe keinen Erfolg. Denn die Antragstellerin nutze ihr Grundstück selbst entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplans zu Wohnzwecken. Auch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Der Landkreis Esslingen versuche mithilfe des Bauvorhabens seiner gesetzlichen Pflicht, Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, gerecht zu werden. Da die Flüchtlingszahlen in den letzten Monaten offenkundig und auch gerichtsbekannt stark angestiegen seien, liege es auf der Hand, dass die bisherigen Unterbringungskapazitäten nicht ausreichten und neue Wohnungen/Sammelunterkünfte gebaut werden müssten. Dem stünden auf Seiten der Antragstellerin keine durch das Bauvorhaben zu erwartenden, im Rahmen des Baurechts zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen gegenüber, die die Antragstellerin besonders schutzwürdig erscheinen ließe. Dass die Antragstellerin in der Nutzungsmöglichkeit ihres Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt oder gar gehindert wäre, sei nicht ersichtlich. Sie könne ihre Sportgaststätte (weiterhin) betreiben und das Grundstück zu Wohnzwecken nutzen, zumal sie die Flüchtlingsunterkünfte von den beiden Wohnungen aus noch nicht einmal sehen könne. Die Anordnung der Wohncontainer erscheine ihr gegenüber ebenfalls nicht als rücksichtslos. Die erforderlichen Grenzabstände würden eingehalten und die Zugänge zu den Containern befänden sich auf der von ihrem Grundstück abgewandten Seite.