OLG Düsseldorf: Bei widersprüchlichen Bieterangaben muss der Auftraggeber aufklären

18.12.2015

Die Vergabestelle schrieb Bauleistungen für einen Autobahnneubau im offenen Verfahren aus. Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Die Antragstellerin gab das preisgünstigste Angebot ab. Den Zuschlag sollte dennoch die Beigeladene als zweitbeste Bieterin erhalten, weil die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin wegen widersprüchlicher Erklärungen von der Angebotswertung ausgeschlossen hat. Bei der Ausführung des Auftrags sind nach mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses (LV) Traggerüste zu planen und herzustellen gewesen. Die Bieter sollten mit dem Angebot eine Liste der Leistungen einreichen, die durch Nachunternehmer ausgeführt werden sollten. Firmen oder Namen der Nachunternehmer waren mit dem Angebot nicht bekanntzugeben. Nach Submission forderte die Vergabestelle die Namen und Verpflichtungserklärungen der vorgesehenen Nachunternehmer an. Bei der Ordnungsziffer betreffend Planungsleistungen für ein Traggerüst vermerkte die Antragstellerin auf ihrer eingereichten Nachunternehmerliste "Eigenleistung, keine Nachunternehmerleistung" und gab somit keinen Nachunternehmer an, obwohl es laut Angebot eine Nachunternehmerleistung sein sollte. Die Vergabestelle schloss das Angebot daraufhin aus. Die Antragstellerin habe widersprüchliche Angaben gemacht und könne auch nicht von Fremd- auf Eigenleistung wechseln. Dagegen wendet sich der Nachprüfungsantrag des Ausgeschlossenen.

Das OLG gibt der Antragstellerin Recht. In der Sache wirft der vorliegende Fall nicht die Problematik einer Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG auf. Die von Bietern im Vergabeverfahren vorzunehmenden Angaben sind zu Nachunternehmerleistungen sowie zu Nachunternehmerfirmen Erklärungen im Sinn dieser Norm. Nur Unterlagen und Erklärungen, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren, werden nach § 16 EG Abs. 3 VOB/A 2012 "nachgefordert". Für alle anderen Unterlagen, die nicht schon zur Angebotsabgabe vorliegen mussten, gilt § 16 EG VOB/A 2012 nicht. Benötigt ein Auftraggeber noch Informationen, beschafft er sie im Rahmen einer Aufklärung nach § 15 EG VOB/A 2012. Gibt es dann Widersprüche zum Angebot, kann nicht sofort ein Ausschluss dieses Angebots erfolgen. Vielmehr "ist der öffentliche Auftraggeber .... praktisch zu einer Aufklärung verpflichtet", die schriftlich durchzuführen ist.

Praxishinweis:

Der oftmals vorgebrachte Ausschlussgrund der "widersprüchlichen Angaben" dürfte weggefallen sein. Die Aufklärung eines Widerspruchs muss nun ergeben, was tatsächlich gewollt bzw. gemeint war. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EG darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Freilich sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 Abs. 3 VOB/A-EG) - womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf. Das OLG hat endlich für Auftraggeber wie Bieter das Verfahren bei Angebotsdefiziten geklärt. Nach Submission entstehende Unklarheiten können durch zwingend durchzuführende Nachfragen ausgeräumt werden. Das hilft, kleine Fehler und Unsorgfältigkeiten der Bieter pragmatisch zu heilen.