BVerwG: Ausschluss eines Ratsmitglieds durch Ratsbeschluss ist nur in engen Grenzen zulässig.

17.03.2015

Der Kläger wurde 2009 in den Rat der beklagten Stadt gewählt. Weil er im Vorfeld der Wahl maßgeblich daran beteiligt war, dass ein politischer Gegner verprügelt wurde, der Wahlplakate der Partei des Klägers abgehängt hatte, wurde er vom Landgericht mit Urteil vom 22. Dezember 2010 wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit August 2011 rechtskräftig. Weil dem Kläger deshalb die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit fehle, erkannte ihm der Stadtrat mit Beschluss vom 22. September 2011 das Mandat ab.

Die Klage hiergegen wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hielt den Ausschluss unter engen Voraussetzungen für zulässig, die hier aber gegeben seien. Insbesondere stehe die Straftat, deretwegen der Kläger verurteilt worden war, in sachlichem Zusammenhang mit der Wahrnehmung seines Stadtratsmandats, weshalb sie geeignet sei, das Ansehen des Stadtrats in der Bevölkerung herabzuwürdigen. Dieser Gefahr habe der Stadtrat durch den Ausschluss des Klägers begegnen dürfen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision des Klägers stattgegeben und den Ausschluss für rechtswidrig erklärt. Allerdings ist es der Argumentation des Klägers nicht gefolgt, der die gesetzliche Ausschlussregelung für verfassungswidrig und nichtig hielt. Die Vorschrift ist vielmehr bei einschränkender Auslegung mit der Verfassung vereinbar. Sie steht mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl im Einklang, da sie die Wählbarkeit unberührt lässt. Auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl ist nicht betroffen, weil der Ausschluss nicht das Gewähltsein des Klägers in Frage stellt, sondern an wahlfremde Umstände anknüpft. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl ist durch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift zu wahren. Er lässt den Ausschluss eines gewählten Ratsmitglieds nur aus verfassungsrechtlich anerkannten Gründen mit mindestens gleichem Gewicht zu. Der Gesichtspunkt des Ansehensverlusts in den Augen der Öffentlichkeit, auf den der Rat den Ausschluss gestützt hatte, reicht danach ebenso wenig hin wie der vom Oberverwaltungsgericht zusätzlich angeführte Gesichtspunkt der Repräsentationsfähigkeit des Rates, die gefährdet sei, wenn der Rat selbst das Vertrauen der Wähler verliere. In Betracht kommt allenfalls der Schutz der Funktionsfähigkeit des Rates, wenn dessen Arbeitsfähigkeit infolge der Straftat beeinträchtigt wird. Auf diesen Gesichtspunkt hatte der Rat der beklagten Stadt den Ausschluss des Klägers aber nicht gestützt.