VG Wiesbaden: Entfernung von Altkleidercontainern durch die Landeshauptstadt Wiesbaden war rechtswidrig.

06.03.2015

Die Altkleidercontainer waren alle auf privaten Grundstücken aufgestellt und mit einer Adresse bzw. mit einer Telefonnummer der Unternehmen (Antragsteller) versehen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden (Antragsgegnerin) brachte an diesen Containern jeweils einen Zettel an, mit dem auf die Ordnungswidrigkeit des Abstellens des Altkleidercontainers an dieser Stelle ohne die erforderliche straßenbaurechtliche Sondernutzungsgenehmigung hingewiesen wurde. Es wurde eine Frist von einer Woche gesetzt, um den Container zu entfernen. Für den Fall, dass dieser Aufforderung nicht nachgekommen werde, wurde die Entfernung der Altkleidercontainer aus dem öffentlichen Raum im Rahmen der Ersatzvornahme angedroht. Nach Ablauf dieser Frist transportierte die Antragsgegnerin die Container auf das Gelände der Entsorgungsbetriebe.

Für einen Teil der Container erstatteten die Antragsteller Strafanzeige, da ihnen der Verbleib nicht bekannt war. Durch einen Zeitungsartikel und eine Mitteilung auf der Homepage der Entsorgungsbetriebe der Antragsgegnerin erfuhren die Antragsteller von der Aktion. In jeweils 2 Fällen hatten die Antragsteller die Zettel der Antragsgegnerin wahrgenommen und legten für diese Container Widerspruch ein.

Mit Bescheiden vom 14.11.2014 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern jeweils mit, dass eine bestimmte Anzahl von Altkleidercontainern im öffentlichen Raum aufgefunden worden sei. Da eine straßenbaurechtliche Sondernutzungsgenehmigung nicht vorgelegen habe, habe man die Container entfernt und in Verwahrung genommen. Für jeden Container fielen Kosten für die Entfernung in Höhe von 150 € an sowie Gebühren für die Verwahrung in Höhe von 15 €. Sollten die Kosten nicht innerhalb von 2 Monaten beglichen und die Container abgeholt werden, so würden sie verwertet oder entsorgt werden.

Das Gericht gab dem Eilantrag der Antragsteller bereits aus formalen Gründen Recht, da es an den gesetzlichen Voraussetzungen für den Abtransport der Altkleidercontainer, die rechtlich als Ersatzvornahme und damit als Vollstreckungsmaßnahme zu qualifizieren ist, fehle. Unabdingbare Voraussetzung sei das Vorliegen eines vollstreckbaren Verwaltungsaktes, an dem es in allen Fällen mangele. Die von der Antragsgegnerin an den Containern mittels Aufkleber angebrachten Beseitigungsanordnungen stellten zwar einen Verwaltungsakt dar, sie seien aber nicht vollstreckbar, da sie nicht bestandskräftig geworden seien und mangels ersichtlicher Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht vor Ablauf eines Jahres nach ihrer Bekanntgabe bestandskräftig werden könnten. Außer in den Fällen, in denen die Antragsteller die Aufkleber zur Kenntnis genommen hätten, sei schon keine Bekanntgabe der Verwaltungsakte erfolgt, so dass eine Rechtsmittelfrist auch gar nicht zu laufen beginne. Dabei sei es der Antragsgegnerin ohne großen Aufwand möglich gewesen, den Antragstellern die Beseitigungsanordnungen zuzustellen, da deren vollständige Anschrift sich auf den Containern befunden habe und von der Antragsgegnerin auch jeweils in die entsprechenden Meldebögen eingetragen worden sei. In den insgesamt 4 Fällen, in denen die Antragsteller Widerspruch gegen die Beseitigungsanordnungen eingelegt hätten, habe dieser aufschiebende Wirkung, weshalb die Beseitigungsanordnungen ebenfalls nicht bestandskräftig werden konnten.

Überhaupt nicht geprüft habe die Stadt, dass man auch die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Altkleidercontainer standen, als Zustandsverantwortliche hätte heranziehen können.

Ungeachtet der formalen Mängel der Verwaltungsakte wies die Kammer darauf hin, dass in den meisten Fällen die Beseitigungsanordnungen nicht auf das Fehlen einer Sondernutzungserlaubnis nach dem Hessischen Straßengesetz gestützt werden könne. Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertrete, dass durch die mit dem Befüllen der Container verbundenen Handlungen, wie Lektüre der Gebrauchsanweisung, Öffnen der Klappe, Einwerfen von Schuhen oder Kleidern, die öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus genutzt würden, werde verkannt, dass dem Verkehr auch eine sogenannte kommunikative Komponente zukomme. Zwar sei die öffentliche Zweckbestimmung der Straße im Rahmen der Widmung überwiegend die Bereitstellung für den öffentlichen Verkehr, also im Sinne des Transportwesens und grundsätzlich auf Ortsveränderung angelegt. Daneben diene die Straße aber auch dem geschäftlichen und kommunikativen Verkehr in vielfältiger Weise. Zwar könne die Zweckbestimmung der Straße auf bestimmte Nutzungsarten, z.B. Kraftfahrzeuge, Radfahrer, Fußgänger, etc. beschränkt werden. Entsprechende Beschränkungen für Fußgänger auf Gehwegen seien aber nicht ersichtlich.

Selbst wenn man der Meinung folge, dass diese Handlungen der gewerblichen Betätigung des Altkleidercontainer-Aufstellers zuzurechnen wären, hätte die Antragsgegnerin nach Auffassung des Gerichts im Einzelnen darlegen müssen, in welcher Distanz die Container von der Straße entfernt aufgestellt und ob die Klappen eventuell von den, der Straße abgewandten Seiten zu bedienen gewesen seien. Denn vorliegend habe der Großteil der Container auf privaten Grundstücken gestanden und zumeist einen Abstand von mindestens 30 cm zum Gehweg oder der Straße aufgewiesen, so dass die Einwurfklappe grundsätzlich auch nur auf dem privaten Grundstück habe geöffnet werden können. Auch dann wäre ein über den Gemeingebrauch hinausgehende genehmigungsbedürftige Sondernutzung, die eine Beseitigungsanordnung hätte rechtfertigen können, nicht gegeben.

Praxishinweis:

In letzter Zeit haben sich die Verwaltungsgerichte vermehrt mit dem Thema der illegal aufgestellten Alttextilcontainern auf öffentlichen Flächen in Städten und Gemeinden beschäftigen müssen. Für Aufsehen sorgte insbesondere eine Entscheidung des VG Neustadt/Weinstraße (Urteil vom 27.02.2013 – 4 L 90/13.NW) wonach eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis auch dann notwendig ist, wenn die Container - wie im Wiesbadener Fall - zwar auf privaten Grund aufgestellt werden, ihre Benutzung aber nur vom öffentlichen Straßenraum aus möglich ist. Die mit der Benutzung verbundenen Handlungen – Lektüre einer Gebrauchsanweisung, öffnen einer Klappe, Einwerfen von Kleidung – sind nach Ansicht des Gerichts keine Vorgänge, die überwiegend dem Verkehr dienen, sondern ausschließlich der gewerblichen Betätigung des Aufstellers zuzurechnen sind (so bereits auch: VG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2012 – 16 K 7510/11 –).

Fehlt eine Sondernutzungserlaubnis nach dem Landesstraßenrecht für die Nutzung öffentlicher Flächen, so reicht diese formelle Illegalität nach einer Entscheidung des OVG Münster für die Rechtslage in NRW (Beschluss vom 17.12.2012 – 11 B 1330/12 – ) aus, um die Beseitigung straßenrechtlich anzuordnen (ebenso: VG Leipzig, Urteil vom 21.01.2013 – 1 L 542/12).

Ferner kann nach der oben zitierten Entscheidung des OVG Münster mit der Beseitigungsanordnung das Unterlassen des zukünftigen Aufstellens von Containern verfügt werden. Nach Ansicht des OVG reicht schon eine in unregelmäßigen Zeitabständen und jeweils nur kurzfristig aber wiederholt ausgeübte unerlaubte Tätigkeit, um ein zukünftiges Unterlassen anzuordnen. Die Gemeinde könne schließlich nicht das gesamte öffentliche Straßennetz ununterbrochen auf zum Teil nur kurzfristige Sondernutzung kontrollieren.

Dabei spielt es nach Auffassung des OVG keine Rolle, ob die Altkleidersammlung vor dem Hintergrund einer gemeinnützigen Tätigkeit erfolgt, denn auch karitative Organisationen sind nicht vom Erfordernis der vorherigen Einholung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Alttextilien-Containern befreit.