OLG Schleswig: Vergabe von Rettungsdienstleistungen im Kreis Schleswig-Flensburg kann von Mitbewerber nicht mehr angegriffen werden.

19.11.2014

Der DRK Kreisverband ist seit 1978 mit der Durchführung von Rettungsdienstleistungen im Kreisgebiet Schleswig-Flensburg beauftragt. Nach einem von dem Kreis eingeholten Gutachten aus dem Sommer 2012 bestand ein Mehrbedarf an Rettungsmittelwochenstunden ausgehend von der Forderung, dass jeder an einer öffentlichen Straße gelegene Ort im Rettungsdienstbereich innerhalb von zwölf Minuten nach Notrufeingang erreicht werden soll. Mit Schreiben vom 2. November 2012 gab der Kreis Schleswig-Flensburg dem DRK Kreisverband auf, den Umfang der Rettungsmittelwochenstunden um 194 Stunden zu erhöhen.

Die Beschwerdeführerin, ein privates Rettungsdienstunternehmen, hatte mit zwei Schreiben aus dem Jahr 2010 an den Kreis Schleswig-Flensburg ihr Interesse an der Erbringung von Rettungsmitteldienstleistungen im Kreisgebiet zum Ausdruck gebracht. Sie macht mit Nachprüfungsantrag vom März 2014 geltend, dass die "Aufstockung" zusätzlicher Rettungsmittelwochenstunden zugunsten des DRK eine rechtswidrige "de-facto-Vergabe" sei, die den Vorgaben des Vergaberechts widerspreche.

Mit Beschluss vom 12. März 2014 stellte der Kreistag fest, dass die notwendige Ergänzung der Rettungsmittelvorhaltung im Rahmen des bestehenden Vertrages mit dem DRK auszuführen ist. Die Vergabekammer Schleswig-Holstein beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie hat den Antrag der Beschwerdeführerin, festzustellen, dass sie durch die tatsächliche Beauftragung des DRK mit zusätzlichen Rettungsmittelwochenstunden durch den Kreis ohne ein gemeinschaftsrechtkonformes Auswahlverfahren in ihren Rechten verletzt und dass diese de-facto-Vergabe unwirksam sei, mit Beschluss vom 5. Mai 2014 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des privaten Rettungsdienstunternehmens.

Das OLG entschied: Der von dem privaten Rettungsdienstunternehmen gestellte vergaberechtliche Nachprüfungsantrag gegen die Erhöhung um 194 Rettungsmittelwochenstunden durch das Schreiben des Kreises an den DRK Kreisverband vom 2. November 2012 ist verspätet. Ein Nachprüfungsantrag, mit dem die vergaberechtliche Unwirksamkeit festgestellt werden soll, muss jedenfalls innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsschluss gestellt werden (§ 101 b Abs. 2 GWB – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag aber erst im März 2014 – und damit zu spät – gestellt. Mit der Sechs-Monats-Frist hat der deutsche Gesetzgeber nur eine Vorgabe der EU-Richtlinie 2007/66/EG korrekt umgesetzt. Für den Fristablauf kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin von dem etwaigen Vergaberechtsverstoß zuvor Kenntnis gehabt hat. Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Frist zulässig und europarechtskonform dafür entschieden, dass sechs Monate nach der de-facto-Vergabe Rechtssicherheit eintreten soll und dies vergaberechtlich nicht mehr von anderen Anbietern erfolgreich angegriffen werden kann.

Der Kreistagsbeschluss vom März 2014 ist keine Grundlage für die bereits zuvor Ende 2012 erfolgte "Aufstockung" um 194 Rettungsmittelwochenstunden. Die Beschwerdeführerin kann auch nicht erfolgreich an den zwischen dem Kreis und dem DRK 1978 geschlossenen, später mehrfach ergänzten Vertrag und der darin im Hinblick auf die zu erbringenden Rettungsdienstleistungen vorgesehenen Anpassungsklausel anknüpfen. Ein Fall bewusster Gesetzesumgehung des Kreises zur Verhinderung der Wahrung der Frist aus § 101 b Abs. 2 GWB durch die Beschwerdeführerin liegt nicht vor.

Auch die von der Beschwerdeführerin gerügten Verstöße gegen EU-Beihilfenrecht, Kartellrecht, Wettbewerbsrecht und die Grundrechte aus Art. 3 (Gleichheitssatz) und 12 GG (Berufsfreiheit) hat das OLG nicht feststellen können.