VGH Kassel: Klagen gegen den sog. „verlängerten Horizontalanflug“ zum Flughafen Frankfurt Main und gegen den Anflug über Offenbacher Stadtgebiet abgewiesen.

04.10.2013

Mit seinen beiden Urteilen bestätigt der Verwaltungsgerichtshof nochmals seine bisherige Rechtsprechung, der zufolge die An- und Abflugverfahren der sicheren und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs dienen, dessen Kapazität durch das in einem gesonderten Verfahren zuvor planfestgestellte Vorhaben zum Bau bzw. zum Ausbau eines Flughafens bestimmt wird.

Weiter führt der Gerichtshof zur Begründung seines Urteils im Fall Offenbach im Wesentlichen aus, dass bei der Berücksichtigung der Lärmbelange der Stadt Offenbach durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung kein Abwägungs- oder Ermittlungsmangel festzustellen sei. Der Umstand, dass in dem vorangegangenen Planfeststellungsverfahren über den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main keine konkreten Flugverfahren überprüft worden seien, führe für das Verfahren über die Festsetzung des Endanflugs zu keinem gesteigerten Abwägungsanspruch der Stadt Offenbach. Bei dem zuvor durchgeführten Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Flughafens Frankfurt Main einerseits, in dem lediglich eine Grobplanung der An- und Abflüge zugrunde zu legen sei, und bei dem in erster Linie sicherheitsrechtlichen Verfahren für die Festsetzung von An- und Abflugverfahren andererseits handele es sich vielmehr um getrennte Verfahren mit jeweils eigenständigen Rechtsschutzmöglichkeiten.

Für die Stadt Offenbach sei auch berücksichtigt worden, dass die Lärmbelastungen die Schwelle der Unzumutbarkeit in weiten Teilen des Stadtgebiets überschreiten. Die Festsetzung der Endanflugverfahren infolge der Inbetriebnahme der Nordwest-Landebahn sei aber sachlich deshalb besonders gerechtfertigt, weil sie der sicheren Durchführung unabhängiger Parallelanflüge auf verschiedene Landebahnen dienten und die dabei einzuhaltenden Präzisionsanflugverfahren und die daraus folgenden Vorgaben zu Sicherheitsabständen beachteten. Die von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung dazu angestellten Erwägungen, in die auch ein alternatives Verfahren zur Umfliegung der Stadt Offenbach eingestellt worden war, sind nach der Überzeugung des VGH nicht zu beanstanden. Die von der Stadt Offenbach vorgeschlagenen weiteren alternativen Verfahren, wie z. B. eine Anhebung des Gleitwinkels seien zur Verkehrsabwicklung nicht in gleichem Maße geeignet wie das vom Bundesaufsichtsamt festgesetzte und von der Stadt angefochtene Flugverfahren.

In seiner Parallelentscheidung (9 C 573/12.T) weist der VGH ergänzend darauf hin, dass zwar auch Lärmbelange potenziell Betroffener bei der Festlegung bzw. bei der Änderung von An- und Abflugverfahren in eine Abwägung einzustellen seien, die das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung vorzunehmen habe. Diese Abwägung erfolge jedoch nicht nach den rechtlichen Grundsätzen des Planungsrechts für den Bau bzw. Ausbau eines Flughafens als solchen, bei dem sicherheitsrechtliche Vorschriften über die Festsetzung von Flugverfahren nicht zu berücksichtigen seien.

Die Beteiligung Lärmbetroffener im Verfahren zur Festlegung bzw. Änderung von An- und Abflugverfahren werde durch die gesetzlich vorgesehene Fluglärmkommission gewahrt. Weitergehende Beteiligungsrechte ergäben sich weder aus den gesetzlichen Vorschriften des Planungsrechts noch aus den Regelungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung, die ebenfalls schon im Planfeststellungsverfahren über Anlage oder Ausbau eines Flughafens durchzuführen sei.

Der Umfang der vom Bundesaufsichtsamt anzustellenden Ermittlungen von betroffenen Lärmbelangen als auch die sachliche Rechtfertigung bei Festsetzung oder bei Änderung von An- und Abflugverfahren sei nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung davon abhängig, ob die drohende Lärmbelastung die Unzumutbarkeitsschwelle erreicht oder gar überschreitet. Diese Schwelle werde durch das Fluglärmschutzgesetz definiert, an dessen Verfassungsmäßigkeit der VGH keine Zweifel habe.

Im Fall der Kläger sei die Schwelle zur Unzumutbarkeit durch die Lärmbelastungen aufgrund des vom Bundesaufsichtsamt festgesetzten, sog. verlängerten Horizontallandeanflugs zum Flughafen Frankfurt Main nicht überschritten; auch sei dies zukünftig nicht zu erwarten. Die Festsetzung dieses Anflugverfahrens infolge der Inbetriebnahme der Nordwest-Landebahn sei sachlich auch besonders gerechtfertigt. Die Verlängerung des Horizontallandeanflugs und damit der Eindrehbereiche in den Endanflug würden weitgehend durch die Lage der Landebahnen einerseits sowie durch den nördlichen Gegenanflug andererseits bestimmt. Dies diene der sicheren Durchführung der Anflüge, die auf zwei Landebahnen parallel und unabhängig voneinander unter Beachtung der Vorgaben zu den einzuhaltenden Sicherheitsabständen durchgeführt werden müssten. Die von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung dazu angestellten Erwägungen seien nach der Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden; insbesondere kämen keine zur Verkehrsabwicklung in gleichem Maße geeigneten Alternativen in Betracht.