Vergabeverstoß im Unterschwellenbereich: Zuschlagserteilung kann gestoppt werden.

21.08.2012

 

Zu:OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.2011 - 27 W 1/11

 

Ein privater Auftraggeber schreibt aufgrund zuwendungsrechtlicher Verpflichtungen Bauarbeiten an einem Schulgebäude unter Zugrundelegung der VOB/A, Abschnitt 1, aus. Die Antragstellerin des einstweiligen Verfügungsverfahrens beanstandet die Vergabeunterlagen wegen - so behauptet sie - fehlender kalkulationsrelevanter Angaben und widersprüchlicher Leistungspositionen, wodurch ihr unter anderem ein ungewöhnliches Wagnis (VOB/A § 7 Abs. 1 Nr. 3) auferlegt werde. Sie erstrebt die vorläufige Verhinderung der anderweitigen Zuschlagserteilung und scheitert vor dem Landgericht (LG Duisburg, IBR 2011, 1217) mit der Begründung, im Auftragsbereich unterhalb der Schwellenwerte existierten regelmäßig nur Sekundäransprüche übergangener Bieter und ein Unterlassungsanspruch ohnehin nur in Fällen der Willkür. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.

 

Das Oberlandesgericht erlässt zunächst umgehend eine Zwischenverfügung mit dem Inhalt eines Zuschlagsverbots, weist aber das Rechtsmittel letztendlich zurück. Es hält allerdings das Eilrechtsschutzbegehren unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, IBR 2010, 160) für statthaft und auch im Übrigen für zulässig. Auch dann, wenn sich ein privater Auftraggeber freiwillig oder durch zuwendungsrechtliche Auflagen der VOB/A (1. Abschnitt) unterwerfe und der EU-Auftragsschwellenwert nicht erreicht werde, stehen Bietern im dadurch begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnis Unterlassungsansprüche, gerichtet gegen einen vergaberechtswidrigen Vertragsabschluss, zu. Diese Unterlassungsansprüche seien nicht auf willkürliche Handlungsweisen des Auftraggebers beschränkt, denn das vorvertragliche Schuldverhältnis beinhalte unterhalb der Willkürebene bereits wechselseitige Rücksichtnahmepflichten (BGH, IBR 2011, 534). Die sofortige Beschwerde scheitere nur deshalb, weil die geltend gemachten materiellen Vergaberechtsverstöße nicht gegeben seien.

 

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bewegt sich auf einer Linie der bisherigen Rechtsprechung dieses Gerichts zum primären Vergaberechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte und zieht vor allem die richtigen Schlüsse aus der aktuellen Rechtsprechung des BGH zu den erleichterten Anspruchsvoraussetzungen des vergaberechtlichen Sekundärrechtsschutzes (BGH, IBR 2011, 534). Von besonderem Interesse ist deshalb eher eine - noch - beiläufige Überlegung des Gerichts zur Frage, ob denn Auftraggeber auch in Verfahren unterhalb der Schwellenwerte zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes den unterlegenen Bietern rechtzeitig vor Auftragserteilung eine Information erteilen müssten? Das mutet wie eine rhetorische Frage an, weil sich Vergaberechtsschutz ohne Vorabinformationen schlicht nicht bewirken lässt.