Widerspruch zwischen Plänen und Leistungsverzeichnis: Was hat Vorrang?

21.08.2012

 

Zu: OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2011 - 21 U 9/11

 

Auftraggeber und Auftragnehmer schließen einen Vertrag über die Ausführung von Erd-, Mauer- und Betonarbeiten. Im Leistungsverzeichnis, das ein vom Auftraggeber beauftragter Architekt erstellt hat, ist eine Wärmedämmung unterhalb der Bodenplatte vorgesehen. Weil die Ausführungspläne des Architekten eine solche Dämmung nicht vorsehen und sie technisch nicht zwingend notwendig ist, baut der Auftragnehmer keine Wärmedämmung ein, obwohl der Auftraggeber auf eine Ausführung gemäß Leistungsverzeichnis besteht. Als der Auftragnehmer seine Schlussrechnung stellt und 15.000 Euro Restwerklohn fordert, macht der Auftraggeber aufgrund der fehlenden Wärmedämmung Schadensersatz geltend. Der Auftragnehmer erhebt Klage.

 

Teilweise erfolgreich. Nach Ansicht des Gerichts kann der Auftraggeber aufgrund der fehlenden Dämmung 7.000 Euro Schadensersatz verlangen. In dieser Höhe ist der Restwerklohnanspruch des Auftragnehmers durch Aufrechnung erloschen. Denn die Leistung des Auftragnehmers ist mangelhaft. Nach dem Leistungsverzeichnis schuldete der Auftragnehmer den Einbau einer Wärmedämmung unterhalb der Bodenplatte. Diese Pflicht zum Einbau der Dämmung war auch nicht dadurch entfallen, weil die Wärmedämmung in den Ausführungsplänen des Architekten nicht vorgesehen war. Zeichnerische Darstellungen der Leistung sind nicht grundsätzlich vorrangig gegenüber dem Leistungsverzeichnis. Bei Widersprüchen zwischen dem Leistungsverzeichnis und Zeichnungen (Plänen) ist der geschuldete Leistungsumfang vielmehr in erster Linie aus dem objektiven Empfängerhorizont durch Auslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte zu beurteilen. Die danach gebotene Auslegung ergibt vorliegend eindeutig, dass der Einbau der Dämmung zum geschuldeten Leistungsumfang gehörte. Denn der Auftraggeber hatte vor Baubeginn auf den Einbau der Dämmung, wie sie im Leistungsverzeichnis aufgeführt war, bestanden.

 

Viele Bauverträge enthalten - ebenso wie die VOB/B in § 1 Abs. 2 - sog. Rangklauseln, die den Leistungsumfang im Fall von Widersprüchen regeln (sollen). Dabei ist allerdings zu beachten, dass solche Rangklauseln nur dann zur Anwendung kommen, wenn tatsächlich ein Widerspruch vorliegt, also die verschiedenen Vertragsbestandteile inhaltlich nicht übereinstimmen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss durch eine Auslegung der gesamten Vertragsunterlagen ermittelt werden. In der Regel werden sich auf diese Art und Weise (vermeintliche) Widersprüche auflösen lassen. Anders ausgedrückt: Die Auslegung geht vertraglichen Rangklauseln vor!