Keine Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige.

28.05.2012

 

Zu: BVerwG, Urteil vom 01.02.2012 - 8 C 24.11

 

Der Antrag eines öffentlich bestellten Sachverständigen auf Verlängerung seiner Bestellung über das 71. Lebensjahr hinaus wird von der Industrie- und Handelskammer unter Bezug auf die Altersgrenze in ihrer SVO abgelehnt. Sie ist der Auffassung, dass die öffentliche Bestellung als Anerkennung einer besonderen Qualifikation nicht in den Anwendungsbereich des AGG falle und dass die Altersgrenze einen sinnvollen Zweck verfolge, nämlich der Rechtspflege und den privaten Nachfragern Sachverständige zur Verfügung zu stellen, die auch vom Alter her leistungsmäßig den an sie gestellten gutachterlichen Aufgaben in jeder Hinsicht genügen können. Die dagegen gerichtete Klage bleibt in den Vorinstanzen und auch beim BVerwG zunächst erfolglos. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das BVerfG entspricht das BVerwG nunmehr dem Begehren des klagenden Sachverständigen auf Fortsetzung seiner Bestellung.

 

Nach der geänderten Auffassung des BVerwG stellt eine generelle Altersgrenze eine nach dem AGG unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar und ist deshalb unzulässig. Das mit der Altersregelung in der Sachverständigenordnung der Industrie- und Handelskammer verfolgte Ziel, einen geordneten Rechtsverkehr sicherzustellen, ist kein legitimes Ziel im Sinne von § 10 AGG, das eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters rechtfertigen könnte. Welche Ziele hiernach legitim sind, bestimmt sich nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG. Danach muss es sich um ein Ziel aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarkts oder der beruflichen Bildung handeln, also um rein sozialpolitische Ziele. Die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs stellt kein solches sozialpolitisches Ziel dar.