Urheberrechtsstreit um Stuttgart 21: Bahn darf endgültig abreißen.

19.03.2012

Zu: BGH, Beschluss vom 09.11.2011 - I ZR 216/10

 

Der Kläger ist ein Erbe des Architekten Paul Bonatz (1877 - 1956), der den Stuttgarter Hauptbahnhof geplant und dessen Bauausführung geleitet hat. Er will erreichen, dass es die Deutsche Bahn AG unterlässt, im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 die Seitenflügel des Hauptbahnhofs und die Treppenanlage in der Großen Schalterhalle abzureißen. Hinsichtlich des im August/September 2010 abgerissenen Nordflügels begehrt er den Wiederaufbau. Landgericht und OLG weisen die Klage ab, die Revision wird nicht zugelassen. Der Kläger legt Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH ein.

 

Ohne Erfolg. Der I. Zivilsenat weist die Beschwerde zurück, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordere. Der Senat bestätigt die drei tragenden, vom Kläger angegriffenen Feststellungen des OLG Stuttgart: In der gebotenen Abwägung der Interessen des Bauherrn und des Urhebers dürfe der Umstand berücksichtigt werden, dass die 2026 endende urheberrechtliche Schutzfrist (70 Jahre nach Tod des Urhebers) bereits zu mehr als 3/4 abgelaufen sei. Nach der Entscheidung der Bahn für den umzusetzenden Entwurf seien auch keine Alternativplanungen, welche die Urheberinteressen weniger beeinträchtigen, zu prüfen gewesen. Zutreffend habe das OLG ferner den Gebrauchszweck des Bauwerks gewürdigt, wobei dahinstehen könne, ob es sich um öffentliche oder private Interessen handle, solange es sich jedenfalls auch um Eigeninteressen der Bahn handle. Ob das Planfeststellungsverfahren insoweit Bindungswirkung erzeuge, könne daher offenbleiben.

 

Das vom Kläger angegriffene Urteil des OLG Stuttgart liest sich wie ein Lehrbuch zum Urheberrecht der Architekten, so dass zu erwarten war, dass auch der BGH dem umstrittenen Projekt jedenfalls urheberrechtlich grünes Licht erteilt. Dabei stützt er sich im Wesentlichen auf frühere Entscheidungen zum urheberrechtlichen Schutz von Bauwerken. Ebenso wie die Urheber(erben) des Lehrter Bahnhofs in Berlin oder der von der EZB umgebauten Großmarkthalle in Frankfurt/Main konnte der Erbe Bonatz´ die Umsetzung des Umbauentwurfs trotz bestehenden Urheberrechts letztlich nicht verhindern.