Planung muss aktuelle Entwicklungen berücksichtigen

01.01.2012

Planung muss aktuelle Entwicklungen berücksichtigen

Zu: OLG Dresden, Urteil vom 09.06.2010 - 1 U 745/09; BGH, Beschluss vom 28.07.2011 - VII ZR 106/10

Der Ingenieur schuldet grundsätzlich eine Planung, die zum Zeitpunkt ihrer Abnahme dem aktuellen Stand der anerkannten Regeln der Technik entspricht. Der Ingenieur darf nicht auf dem Stand der ursprünglichen Planung stehen bleiben, sondern hat sich auf dem Laufenden zu halten und sein Werk auf Übereinstimmung mit den neuesten Regeln der Technik zu überprüfen. Dies gilt in jedem Fall für das gesamte Planungsstadium, unabhängig davon, ob die gesamten Planungs- und Leistungsphasen nach der HOAI beauftragt worden sind oder nicht. Macht der Auftraggeber eine verbindliche Planungsvorgabe, muss der Ingenieur unmissverständlich und deutlich aufzeigen, dass das geplante Bauwerk schon im Moment seiner Errichtung nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen wird.

Der Bauherr verlangt von der beklagten Ingenieurgesellschaft Schadensersatz wegen fehlerhafter Planung einer Dachentwässerung. Vertragsgegenstand war unter anderem die Überarbeitung/Anpassung der vorhandenen Entwurfsplanung eines anderen Planers sowie die Aktualisierung der Wassermengenberechnung. Die Beklagte ging für die Planung von einem Regenbemessungswert von 142,2 l/s x ha aus, der mit der Entwurfsplanung ermittelt worden war. Zum Zeitpunkt der Übergabe ihrer Planung war dieser Wert allerdings auf einen Wert von 218 l/s x ha erhöht.

Das LG Chemnitz gibt der Schadensersatzklage dem Grunde nach statt, was das OLG Dresden bestätigt. Die Planung sei zum insoweit relevanten Zeitpunkt der "Übergabe" an zu niedrigen Werten orientiert gewesen und daher mangelhaft, weil der "Stand der Technik" nicht eingehalten sei. Was bei Beauftragung Regel der Technik war, sei irrelevant. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass ihr der zu niedrige Regenbemessungswert vorgegeben wurde, sei dies ohne Relevanz. In diesem Fall hätte wenigstens darauf hingewiesen werden müssen, dass die geplante Entwässerung im Zeitpunkt der Errichtung nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen wird. An diesem Hinweis fehle es.

Das Urteil schwankt zwar mehrfach zwischen den nicht sinngleichen Begriffen "Stand der Technik" und "anerkannte Regeln der Technik." Man kann auch daran zweifeln, ob die gegenständliche Grundlagenermittlung damit begrifflich richtig gefasst ist. Jedenfalls entspricht eine Planung, die von falschen Grundlagen ausgeht, nicht den anerkannten Regeln der Technik. Die anerkannten Regeln selbst haben sich im Fall allerdings nicht geändert. Im Ergebnis ist die Entscheidung aber richtig. Die Beklagte schuldete nach dem Vertrag die Aktualisierung/Korrektur der Wassermengenberechnung, hat sich aber auf die Werte in der schon vorliegenden Planung verlassen. Der Leitsatz des Urteils ist in seiner Allgemeinheit für Planer bedenklich. So mag es sein, dass ein ausführendes Unternehmen grundsätzlich die Einhaltung der zum Zeitpunkt der Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik schuldet. Bei der Beauftragung der Vollarchitektur ist das Werk erst nach der vollständigen Erbringung der Leistungsphase 9 abnahmefähig. Wenn sich dann die Zeit zwischen Ausführungsplanung und Fertigstellung über Jahre hinzieht, können sich die Regeln der Technik ändern. Eine zwingende technische Notwendigkeit für eine Umplanung ergibt sich dann nicht immer. Letztlich kann die Umplanung auch für den Bauherrn erhebliche Kosten verursachen, wenn die Bauausführung bereits begonnen hat. Es leuchtet nicht ein, warum der Architekt dann zwingend umplanen sollen muss, denn funktional mangelhaft wird die Planung in aller Regel nicht. Hier bedarf es einer flexibleren Lösung. Ohne explizite vertragliche Regelung sollte Ansatzpunkt dabei sein, dass darauf abgestellt wird, dass die Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Beauftragung als Planungssoll (konkludent) vereinbart werden. Dann kommt es auch nicht mehr darauf an, dass zum Zeitpunkt der Abnahme bereits andere gelten. Auch das Urteil des OLG Dresden an, dass eine Orientierung (wenigstens) am Planungszeitpunkt sinnvoll erscheint. Der Planer muss jedoch in jedem Fall den Auftraggeber auf die neuen Regeln der Technik hinweisen. Vorliegend wäre der Hinweis darauf erforderlich gewesen, dass bei unterstellter Berücksichtigung eines Regenbemessungswerts von 142,2 l/s x ha als Beschaffenheitsvorgabe in der Planung, die Planung im Ergebnis hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt. Für Planer bietet sich der Abschluss einer ausdrücklichen Vereinbarung zum Planungssoll an. Dies auch, weil solche Planungsänderungen, die nicht vom Bauherrn veranlasst sind, durch diesen im Regelfall auch nicht zu vergüten sind.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Quelle: ibr-online-Newsletter 16/2011