Ausschreibungspflichtigkeit einer Grundstücksveräußerung mit Bauverpflichtung

01.01.2012

Ausschreibungspflichtigkeit einer Grundstücksveräußerung mit Bauverpflichtung

Zu: OLG München, Beschluss vom 27.09.2011 - Verg 15/11

Ein öffentlicher Bauauftrag im Sinne des § 99 Abs. 3 GWB liegt nur dann vor, wenn die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt. Die Veräußerung eines Grundstücks mit Bauverpflichtung im Rahmen der Wohnraumförderung ohne weitergehende Verpflichtung des Erwerbers ist kein öffentlicher Bauauftrag.

Die Gemeinde schreibt den Verkauf von Baugrundstücken aus. Die Grundstücksflächen hatte die Gemeinde vom Bund verbilligt erhalten, da sie sich im Gegenzug verpflichtete, eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme durchzuführen. Der Kaufvertrag beinhaltet einen Sanktionsmechanismus nachdem die Gemeinde den Differenzbetrag an den Bund nachträglich bezahlen muss, wenn sie ihre Verpflichtungen nicht rechtzeitig erfüllt. In den Ausschreibungsunterlagen wird darauf hingewiesen, dass die Gemeinde gegenüber dem Bund eine Nachzahlungsverpflichtung besitzt, wenn der Kaufvertrag nicht rechtzeitig geschlossen wird. Im Falle des Verschuldens des Erwerbers an einer Verzögerung behält sich die Gemeinde Schadensersatzforderungen vor. Für einen Teil der ausgeschriebenen Grundstücksflächen gewährt die Gemeinde eine besondere Verbilligung für Baugemeinschaften bestehend aus einheimischen Bürgern mit mittleren Einkommen. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Nichtberücksichtigung ihres Angebots und rügt mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht.

Der Antrag der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen ist nicht eröffnet, weil kein öffentlicher Bauauftrag im Sinne des § 99 GWB ausgeschrieben ist. Voraussetzung dafür wäre ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse der Gemeinde an einer Bauleistung. Dafür ist weder die Nachzahlungsverpflichtung noch eine Subventionierung bestimmter Erwerber ausreichend. Die Nachzahlungsverpflichtung der Gemeinde stellt eine Strafzahlung an den Bund für den Fall einer vereinbarungswidrigen Verwendung der Grundstücke dar und führt nicht dazu, dass die Gemeinde das Risiko eines wirtschaftlichen Fehlschlags trägt. Eine finanzielle Beteiligung an der Erstellung eines Bauwerks kann nicht in der Veräußerung von besonders verbilligten Grundstücksflächen an finanziell leistungsschwache Familien gesehen werden, denn dabei handelt es sich letztlich um eine Art Beihilfe, die den Erwerb von Wohnungseigentum ermöglicht. Allein die Durchführung eines Konzepts der Gemeinde zur Entwicklung der Grundstücke führt nicht dazu, dass die Bauleistung im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse der Gemeinde liegt. Sofern für die Gemeinde mit dem Grundstücksverkauf weder ein späterer Zugriff auf das Bauwerk noch auf seine Entstehung verbunden ist und die Gemeinde auch nicht von einer eigenen Aufgabe durch Übertragung auf den Erwerber entlastet wird, liegt kein öffentlicher Bauauftrag vor.
Ein Grundstückskaufvertrag mit städtebaulichen Verpflichtungen stellt grundsätzliche keinen öffentlichen Bauauftrag dar. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 25.03.2010 die Voraussetzungen eines öffentlichen Bauauftrags niedergelegt. Danach liegt ein öffentlicher Bauauftrag im Falle eines schriftlichen, entgeltlichen Vertrags vor, wenn er im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des öffentlichen Auftraggebers liegt. Dafür ist es nicht ausreichend, dass lediglich ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel verfolgt wird. Das ist aber bei der bloßen Ausübung städtebaulicher Regelungskompetenzen der Fall. Die weitergehende Ahlhorn-Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ist aufgrund des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes und der vorgenannten Entscheidung des EuGH überholt.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Quelle: ibr-online-Newsletter 15/2011