Nachtflugverbot am Flughafen Berlin-Brandenburg wird nicht ausgeweitet

01.01.2012

Nachtflugverbot am Flughafen Berlin-Brandenburg wird nicht ausgeweitet

Zu: BVerwG, Urteil vom 13.10.2011 - 4 A 4000/09; 4 A 4000/10; 4 A 4001/10.

Das am Flughafen Berlin-Brandenburg geltende Nachtflugverbot wird nicht ausgeweitet. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und damit die Klagen von Anwohnern und Gemeinden gegen die Regelung des Nachtflugbetriebs auf dem Flughafen abgewiesen (Urteile vom 13.10.2011, Az.: 4 A 4000/09, 4 A 4000/10 und 4 A 4001/10).

Der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss vom August 2004 ließ einen zeitlich unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu. Nachdem Anwohner und Gemeinden hiergegen geklagt hatten, hat das BVerwG das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MIL) verpflichtet, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs erneut zu entscheiden. Dieses hat daraufhin im Oktober 2009 in einem Planergänzungsbeschluss den Flugbetrieb von 23.30 bis 5.30 Uhr grundsätzlich verboten und von 22.00 bis 23.30 Uhr sowie von 5.30 bis 6.00 Uhr grundsätzlich zugelassen.

Mit dieser Regelung hat das MIL nach dem aktuellen Urteil des BVerwG den ihm eingeräumten planerischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Einen Nachtflugbedarf habe es rechtsfehlerfrei bejaht. Die Nachtflugprognose, die es zum Nachweis einer entsprechenden Nachfrage in Auftrag gegeben hat, sei methodengerecht erstellt und die Ergebnisse seien einleuchtend begründet. Das MIL hat laut BVerwG auch plausibel dargelegt, dass es für Zu- und Abbringerflüge zu den Drehkreuzflughäfen, für die Umlaufplanungen der Low-Cost-Carrier und der Touristikverkehre und für den Interkontinentalverkehr vernünftigerweise geboten ist, Flugverkehr von 5.30 bis 23.30 Uhr zuzulassen. Auszugehen sei hierbei von der Verkehrsfunktion des Flughafens Berlin-Brandenburg als einzigem Verkehrsflughafen für die Hauptstadt Berlin und die Metropolregion Berlin-Brandenburg.

Anders als bei der Festlegung der Schutz- und Entschädigungsgebiete durfte das MIL für die Regelung des Flugbetriebs die Lärmbetroffenheiten laut BVerwG auf der Grundlage von parallelen An- und Abflugrouten ermitteln. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) habe zwar darauf hingewiesen, dass die Abflugrouten bei unabhängigen Abflügen von parallelen Bahnen um mindestens 15 Grad divergieren sollen. Der Flugbetrieb werde jedoch nicht für bestimmte Flugrouten geregelt, sondern für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung. Die Betriebsregeln sollen grundsätzlich auch bei geänderten Flugrouten Bestand haben. Abflugrouten, die um bis zu 15 Grad nach Norden oder nach Süden abknickten, beträfen zwar teilweise andere Gebiete als parallele Abflugstrecken; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt. Die Veränderungen der Lärmbetroffenheiten bleiben nach Ansicht der Richter in einem Unsicherheitsbereich, der bei der Regelung des Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss. Dass um mehr als 15 Grad abknickende, zu größeren Betroffenheiten führende, Abflugstrecken festgelegt werden, brauchte das MIL ausgehend von den Erklärungen der DFS nicht in Betracht zu ziehen.

Der Ausgleich, den das MIL zwischen den Verkehrsinteressen und den Belangen der Anwohner vorgenommen hat, hält sich nach Ansicht des BVerwG im Rahmen des der Exekutive zustehenden Gestaltungsspielraums. Für die Nachtkernzeit habe es - der Vorgabe des BVerwG folgend - Starts und Landungen grundsätzlich verboten und nur eng begrenzte Ausnahmen zugelassen. Es habe das grundsätzliche Nachtflugverbot darüber hinaus auf die Zeit von 23.30 bis 24.00 Uhr und von 5.00 bis 5.30 Uhr erstreckt. Dieser Schutz der Nachtruhe mache es vertretbar, den Lärmschutz bis 23.30 Uhr und ab 5.30 Uhr weitgehend hinter den Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen.

Auch in diesen Zeitsegmenten müsse das Schutzkonzept eines Abschwellens des Fluglärms bis zum Beginn der Kernzeit und eines Anschwellens nach dessen Ende jedoch weiter durchgeführt werden, so das BVerwG. Selbst die Stunde von 22.00 bis 23.00 Uhr dürfe nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebs angesehen werden. Die Nachtverkehrsprognose habe einen abnehmenden Trend der Flugbewegungen vom Ende des Tages zur Nachtkernzeit hin ergeben. Vor diesem Hintergrund durfte das MIL laut BVerwG von einer weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs absehen. Sollte sich die erste Nachtstunde entgegen der Verkehrsprognose zu einer Stunde entwickeln, in der die Fluglärmbelastung in der Regel größer ist als in den Abendstunden, wären die Anwohner rechtlich nicht schutzlos. Denn das MIL habe sich den nachträglichen Erlass von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten.

Soweit die Klagen auf weitergehenden passiven Schallschutz und eine weitergehende Entschädigung für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche gerichtet waren, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Das MIL hatte sich zuvor unter anderem verpflichtet, nach der erstmaligen Festlegung der Flugrouten durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die bisher festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete insgesamt neu auszuweisen; die Nebenbestimmungen zu den bereits festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebieten bleiben hiervon unberührt. Damit hat das MIL entsprechende Bedenken des Gerichts ausgeräumt.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Quelle: beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 13. Oktober 2011.