Keine Haftung des Gewährleistungsbürgen bei Abweichung von Abnahmemodalitäten

01.01.2012

Keine Haftung des Gewährleistungsbürgen bei Abweichung von Abnahmemodalitäten

Zu: OLG München, Urteil vom 24. 1. 2011 - 13 U 3970/10

Wird ein bauvertragliches Konzept von den Bauvertragsparteien nach Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft zu Abnahme/Gewährleistung verlassen, so kann dies zur Folge haben, dass der Gewährleistungsbürge nicht haftet. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn im Bauvertrag folgende Regelungen vorgesehen waren, jedoch nicht durchgeführt wurden: die Erstellung eines Endabnahmeprotokolls durch einen Sachverständigen mit Ausschluss der stillschweigenden Abnahme und Endabnahmebegehung sowie schriftliche Bestätigung über die Beseitigung der Mängel.

Ein im Juli 2002 zwischen einem Auftraggeber und einem später insolventen Auftragnehmer geschlossene Bauvertrag enthält die im Leitsatz wiedergegebenen, detaillierten Regelungen zur förmlich durchzuführenden Abnahme und zum Beginn der Gewährleistungsfrist. Zu Gunsten des Auftraggebers sieht der Bauvertrag für die Absicherung der Gewährleistung einen Einbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoabrechnungssumme vor, ablösbar durch Gewährleistungsbürgschaft. Die zum 31.12.2003 vorgesehene Fertigstellung verzögerte sich. Am 19.03.2004 übersandt der Auftragnehmer seine Schlussrechnung zusammen mit einer Gewährleistungsbürgschaft eines Bürgen vom 17.03.2004. In dieser übernahm der Bürge "nach den Bedingungen" des Bauvertrags eine "Sicherheit für die Erfüllung der Ansprüche auf Gewährleistung einschließlich Schadensersatz". Der Auftraggeber kürzte die Rechnung am 17. 6. 2004 wegen nicht ausgeführter Leistungen um 236.000 Euro. Eine Baustellenbegehung vom einen 21.07.2004 Tischen Auftragnehmer und Auftraggeber mündete in einer Aktennotiz und eine Niederschrift. Am 28. 10. 2004 legten Auftragnehmer und Auftraggeber einen neuen Fertigstellungstermin auf den 30.11.2004 fest. Der Auftragnehmer stellte die Bauarbeiten am 07.12.2004 ein. Daraufhin kündigte der Auftraggeber am 10.12.2004 den Vertrag fristlos. Der Auftraggeber verlangt vom Bürgen Zahlung in Höhe von 260.000 Euro.

Das Oberlandesgericht München kam zu dem Schluss, dass der Bürge durch den Verzicht des Auftraggebers auf die förmliche Abnahme leistungsfrei geworden ist (§ 767 Abs. 1 S. 3 BGB). Das bauvertragliche Konzept zur Gewährleistung, auf welches die Bürgschaft Bezug nimmt, zeigt, dass von der Gewährleistung nur Mängel umfasst sein sollen, welche erst nach der Abnahme erstmals auftreten. Alle anderen Mängel und Restarbeiten sollten in diesem Zeitpunkt bereits erledigt sein. Es kommt daher auf die nach dem Vertrag durchzuführende Abnahme und auf die in diesem Zeitpunkt noch erforderlichen Restarbeiten und bestehende Mängel an. Diese sollten in einem Abnahmeprotokoll dokumentiert werden. Ein solches liegt nicht vor. Insbesondere können die Aktennotiz und die Besprechungsniederschrift vom 21.07.2004 nicht als Ersatz dienen, weil die noch offenen Punkte nicht dokumentiert seien. Wegen der durch den Verzicht auf die förmliche Abnahme eingetreten Unsicherheit über das Bestehen der Mängel ist die Bürgenhaftung in unzulässiger Weise erweitert worden. Schadensersatzansprüche gemäß § 4 Abs. 7 VOB/B, welche vor der Abnahme entstanden sind, seien nicht durch die Bürgschaft abgesichert. Die Formulierung in der Bürgschaft "einschließlich Schadensersatz" dient lediglich der Klarstellung, dass auch Schadensersatzansprüche gemäß § 13 Abs. 7 VOB/B In den Anwendungsbereich der Bürgschaftsurkunde fallen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht