Haftung für Ingenieure bei rechtswidriger Aufhebung der Ausschreibung

01.01.2012

Haftung für Ingenieure bei rechtswidriger Aufhebung der Ausschreibung

Zu: OLG Saarbrücken, Urteil vom 23. 11. 2010 - 4 U 548/09

Die Klägerin, ein Vergabestelle, verlangt von den Beklagten Ingenieuren Schadensersatz wegen mangelhaften Vergabemanagements einer öffentlich ausgeschriebenen Baumaßnahme. Nachdem im Vergabeverfahren der preisgünstigste Bieter erklärt hatte, er habe sich verkalkuliert, hob die Vergabestelle die Ausschreibung auf. Als "schwerwiegender Grund" wurde angeführt, es gebe kein unter Wirtschaftlichkeitsaspekten annehmbares Angebot. Das Angebot einer Bietergemeinschaft liege als günstigstes wertbares Angebot 13,9 % über dem von den Ingenieuren kalkuliertem Auftragswert. Bei einer erneuten Ausschreibung erhielt der ursprünglich preisgünstigste Bieter den Zuschlag. Die Bietergemeinschaft nahm die Vergabestelle anschließend erfolgreich auf Schadensersatz in Höhe von 360.000 Euro in Anspruch, welche nunmehr bei den Ingenieuren Regress hält.

Das Urteil gegen die Vergabestelle war damit begründet worden, dass das Angebot der Bietergemeinschaft als wirtschaftlichstes den Zuschlag hätte erhalten müssen. Die Aufhebung der ersten Ausschreibung sei rechtswidrig und das Angebot der Bietergemeinschaft annahmefähig gewesen. Soweit sich die Vergabestelle auf mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten und darauf berufe, dass das niedrigste Angebot deutlich höher gelegen habe als die kalkulierten Kosten und die verfügbaren Mittel (VOB/A § 26 Abs. 1 c), sei diese Einschätzung auf Fehler der Ingenieure bei der Ermittlung der Kosten und des Finanzbedarfs zurückzuführen, welche den Bietern nicht zum Nachteil gereichen könnten. Die Kosten seien aufgrund von Rechenfehlern mit ca. 5.266.000 DM brutto zu niedrig kalkuliert. Der kalkulatorische Finanzbedarf habe richtigerweise 5.550.959 DM betragen. Die Differenz von circa 284.000 DM sei auf Rechenfehler Ingenieure zurückzuführen. Die fehlerhafte Kostenkalkulation habe sich auf die für die Aufhebungsentscheidung ausschlaggebende angenommene Überschreitung des kalkulierten Finanzbedarfs um mehr als 12 % ausgewirkt. Das Angebot der Bietergemeinschaft habe bei zutreffender Kostenkalkulation lediglich 8 % und nicht 13,9 % über dem zu erwartenden Kostenbetrag gelegen. Die Haftung der Ingenieure wurde vom Landgericht bejaht. Weiterer Streit der Parteien bestand noch darüber, ob bei der Ermittlung des der Vergabestelle aufgrund der mangelhaften Ingenieurleistungen entstandenen Schadens ein Kostenvorteil in Höhe von circa 211.000 Euro zu berücksichtigen ist, welcher sich daraus ergibt, dass die Baukosten bei ordnungsgemäßer Durchführung des rechtswidrig aufgehobenen ersten Vergabeverfahrens höher gewesen wären, als sie es nach der zweiten Vergabe tatsächlich waren. Das Angebot des Bieters, welcher im zweiten Vergabeverfahren den Zuschlag erhielt, war um circa 211.000 Euro niedriger als das Angebot der Bietergemeinschaft, welches im ersten Vergabeverfahren zu Unrecht unberücksichtigt blieb. Die Berechnungsmethode wurde vom Oberlandesgericht bestätigt. Durch das schädigende Verhalten sind adäquat kausal ersparte Aufwendungen schon wegen ihres engen Zusammenhangs mit dem entstandenen Nachteil nach der Differenzhypothese anzurechnen, es sei denn, die Ersparnisse beruhen auf überobligationsmäßigen Leistungen des Geschädigten, was nicht der Fall ist.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht