Fachklinik kann zu Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden

01.01.2012

Fachklinik kann zu Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden

Zu: VGH Mannheim, Urteil vom 29.4.2010 - 2 S 2160/09

Auch eine Fachklinik muss grundsätzlich einen Fremdenverkehrsbeitrag zahlen. Im konkreten Fall hatte die Stadt, in welcher die Klinik ansässig ist, jedoch den bei der Bemessung des Beitrags eingeräumten Schätzungsspielraum überschritten. Mit dieser Entscheidung des VGH Mannheim wurde die Vorentscheidung (Verwaltungsgericht Stuttgart) nicht bestätigt und der Beitragsbescheid der Stadt aufgehoben.

Klägerin ist eine in Bad Mergentheim ansässige Fachklinik für psychosomatische Medizin mit circa 70 Betten. Diese wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2000 in Höhe von 6.589 Euro. Den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit hat die Klinik auf die Behandlung von Essstörungen, Borderline-Störungen und Traumata gesetzt, weshalb in über der Hälfte der Fälle die Patienten minderjährig sind. Von der Stadt Bad Mergentheim wird von allen Selbstständigen, denen aus dem Kurbetrieb besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, zur Förderung des Kurbetriebes ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Dessen Höhe bemisst sich danach, in welchem Umfang die Einkünfte des Betreffenden aus dem Kurbetrieb herrühren. Dieser so genannte Kuranteil wird durch Schätzung ermittelt. Nach der einschlägigen Satzung der Stadt wird der Fremdenverkehrsbeitrag dann in einem zweiten Schritt auf 10 % des Kuranteils festgesetzt. Gegen den festgesetzten Fremdenverkehrsbeitrag hatte sich die Klägerin mit der Begründung wendet, erwüchsen aus dem Kurbetrieb überhaupt keine wirtschaftlichen Vorteile. Hilfsweise trug sie vor, die Stadt habe den Kuranteil jedenfalls zu hoch geschätzt. Die Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erfolglos. Der VGH Mannheim dagegen ist der Argumentation der Klägerin teilweise gefolgt.

Ausschlaggebend für die Entscheidung des VGH Mannheim waren folgende Überlegungen:
Die Beitragspflichtig der Klinik werde nicht dadurch infrage gestellt, dass sich die Patienten in erster Linie wegen der fachlichen Kompetenz des ärztlichen Personals und des therapeutischen Umfelds zur Behandlung in die Klinik begeben würden. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten, neben der im Vordergrund stehenden fachlichen Kompetenz, die Klinikumgebung und die Kureinrichtungen ein Kriterium für die Auswahlentscheidung darstellten und damit ein Teil der Umsätze der Klägerin auch fremdenverkehrsbedingt erwirtschaftet werde. Zunächst gelte dies für Privatpatienten, welche im Vergleich zu Kassenpatienten eine größere Einflussmöglichkeit auf die Wahl der Klinik hätten. Eine Einflussmöglichkeit von Kassenpatienten beziehungsweise deren Eltern auf den einweisenden Arzt erscheint dem VGH jedoch nicht ausgeschlossen. Dies gelte insbesondere, da bei der Behandlung psychischer Erkrankungen das Engagement des Patienten und damit auch seine Wünsche wesentlich für den Behandlungserfolg seien. Zusätzlich habe die Klinik auf ihrer Internetseite, zumindest in der Vergangenheit, mit der schönen Umgebung und der idyllisch gelegenen Stadt geworden, deren Vorteile auch für minderjährige Patienten attraktiv seien.

Allerdings habe die Stadt den ihr bei der Schätzung des Fremdenverkehrsbeitrags eingeräumten Spielraum überschritten. Mangels greifbarer Anhaltspunkte seit der von ihr angesetzte Kuranteil in Höhe von 30 % nicht nachvollziehbar. Zwar sei sie zu Recht davon ausgegangen, dass der überwiegende Teil der Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten der Klinik auf fachlichen Gesichtspunkten und nicht auf dem Kurbetrieb beruhe. Ebenfalls zutreffend sei, dass der Klinik im Rahmen der Behandlung von Privatpatienten, im Vergleich zu den Kassenpatienten, in größerem Umfang Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten eröffnet sein, welche sich unmittelbar auf den Kurbetrieb zurückführen ließen. Jedoch habe die Stadt nicht ermittelt, welcher Anteil der Einkünfte auf der Behandlung von Privatpatienten und welcher Anteil auf der Behandlung von Kassenpatienten beruhe. Erst auf der Basis einer solchen konkreten Vorteilsschätzung für jede der beiden "Patientengruppen" könne jedoch eine plausible und nachvollziehbare Gesamtschätzung des Kuranteils erfolgen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht