Gemälde von nackter Oberbürgermeisterin von Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt

01.01.2012

Gemälde von nackter Oberbürgermeisterin von Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt

Zu: OLG Dresden, Urteil vom 16.4.2010 - 4 U 127/10

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Dresdner Oberbürgermeisterin wegen der Veröffentlichung eines Gemäldes, auf welchem die Klägerin lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette bekleidet zu sehen war, wurde abgewiesen. Das Bildnis ist von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt.

Die Beklagte hatte im Internet ein Gemälde veröffentlicht, auf dem die Oberbürgermeisterin nackt, lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette bekleidet, zu sehen war. Das Gemälde wurde neben anderen Bildern der Künstlerin im Zusammenhang mit dem Tag des offenen Ateliers in Dresden am 15.11.2009 in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Die Malerin kam der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige weitere Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes nicht nach, woraufhin die Oberbürgermeisterin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellte. Das Originalgemälde ist inzwischen verkauft.

Die Vorinstanz hatte dem Antrag der Oberbürgermeisterin mit der Begründung stattgegeben, die Nacktdarstellung verletzte die Klägerin in ihrem Recht am eigenen Bild sowie ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit habe zurückzutreten, da auch bei Personen der Zeitgeschichte die Intimsphäre insoweit geschützt sei, als ihnen die Entscheidung über die Veröffentlichung ihres nackten Körpers vorbehalten sei.

Das Oberlandesgericht Dresden hat die Entscheidung nun aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Das Gemälde sei ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, dessen Zurschaustellung die Klägerin nicht in berechtigten Interessen verletze und daher ohne ihre Einwilligung verbreitet werden dürfe. Zwar seien auch bei Bildnissen mit Bezug zur Zeitgeschichte bei Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen gesetzt, jedoch ist im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Kunst- und Meinungsfreiheit geboten.

Die Abwägung fällt zu Gunsten der Beklagten aus. Das Bildnis stelle nicht nur Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne dar, sondern zugleich eine satirische Darstellung eines aktuellen politischen Geschehens, welches den Schutz der allgemeinen Meinungsfreiheit unterliege. Satirische Darstellungen genössen einen weiten Freiraum bis zur Grenze der Schmähkritik, da ihnen Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen gerade wesenseigen seien. Nach Ansicht des Gerichts stellt das Werk der Beklagten einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf dar und ist folglich nicht als Schmähkritik oder Kundgabe von Missachtung anzusehen. Die Klägerin erscheine als Werberin für den heftig umstrittenen Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden. Dieses "Werben" werde in erkennbar satirischer Absicht verdeutlicht und zugleich ins lächerliche gezogen. Die Nacktheit der Klägerin könne in diesem Kontext ohne weiteres als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit zur Abwendung des Verlustes des UNESCO-Welterbetitels verstanden werden. Es kommt hinzu, dass der weibliche und auch der männliche Akt zentrales Thema des künstlerischen Schaffens der Beklagten sei. Die Künstlerin habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klägerin "nichts in der Hand habe". Dieser Aussagekern bewege sich im Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung.

Auch die Darstellung mit einem nachempfundenen nackten Körper und Requisiten wie Strapse und Schärpe müsse die Klägerin hinnehmen. Zwar sei nachvollziehbar, dass sie sich in ihrem Schamgefühl und ihrer Autorität beeinträchtigt sehe. Das Bildnis stelle aber ersichtlich weder einen Vorgang aus dem Sexualbereich dar noch werde die Klägerin in reißerischer Manier oder als Objekt männlicher Begierde zur Schau gestellt. Die Amtskette ist weiterhin Indiz dafür, dass die Klägerin nicht in ihrem Privatleben, sondern in der Ausübung ihrer politischen Tätigkeit abgebildet wurde, wobei sie weitgehenden Einschränkungen ihrer Privatsphäre unterworfen sei.

Auch die Erkennbarkeit der Personen ändert nichts an der Zulässigkeit der satirischen Darstellung, da diese vielmehr Voraussetzung dafür ist, dass der Aussagegehalt der Meinungsäußerung erkennbar werde. Bei dieser Sachlage habe das Persönlichkeitsrecht der Klägerin hinter die Meinungs- und Kunstfreiheit der Beklagten zurückzutreten.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Joachim Krumb, Fachanwalt für Verwaltungsrecht