Kann bei Lärmschutzwandarbeiten von der Fachlosvergabe abgewichen werden?

01.01.2012

Kann bei Lärmschutzwandarbeiten von der Fachlosvergabe abgewichen werden?

Zu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2009 - Verg 27/09

Lärmschutzwandarbeiten einschließlich der Gründung bilden im Straßenbau ein abgrenzbares Bauwerk und unterliegen damit der Fachlosvergabe.

Der Landesbetrieb Straßenbau NRW schrieb als Vergabestelle im Offenen Verfahren den sechsstreifigen Ausbau der BAB A 40 einschließlich der Brücken- und Lärmschutzwandarbeiten aus. Ein mittelständisches Unternehmen auf dem Gebiet der Herstellung und Montage von Lärmschutzwänden rügt die unterbliebene Fachlosaufteilung als Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB a.F. und stellt einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabestelle hat begründet, dass die Verzahnung der verschiedenen Gewerke, insbesondere der Lärmschutz, eine Mischlosvergabe bis auf wenige Ausnahmen rechtfertigt. Wegen Auflagen der Planfeststellung sind die vorhandenen Lärmschutzwände nach Möglichkeit erst nach Fertigstellung der neuen Wände zu beseitigen und jeweils nur auf einer Länge von 300 m abzubrechen und zu erneuern. Weiterhin wird auf eine erschwerte Koordination zur Herstellung der Wände verwiesen, da diese teils auf Steilwall, auf und vor Stützwänden sowie auf freier Strecke zu errichten sind. Die Antragstellerin beruft sich auf ein bauspezifisches Gutachten zur Widerlegung dieser Annahmen. Die Vergabekammer folgte dem Antrag und gab der Vergabestelle auf, das Verfahren aufzuheben und zu wiederholen. Die Eintscheidung zur Gesamtvergabe sei unzureichend abgewogen, begründet und dokumentiert.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist erfolgreich. Das Gericht jedoch stuft Lärmschutzwände als abgrenzbares Gewerk ein, da sich trotz weniger Anbieter ein sachlich eigenständiger Markt gebildet habe. Die im Rahmen von § 97 Abs. 3 GWB a.F. zu treffende Entscheidung erfordert eine besondere Auseinandersetzung mit dem Gebot der Fachlosvergabe und dagegen sprechender Gründe. Bei dieser Ermessensentscheidung sei umfassend zu urteilen und für eine Gesamtvergabe nicht nur zu beachtende oder anerkennenswerte Gründe vorliegen, diese müssen auch überwiegen. Für den Prüfungsmaßstab gelten keine allgemeinen Regeln. Jedoch müssen Synergieeffekte prognostizierbar sein, da ein mit der Gesamtvergabe verbundener Minderaufwand nicht ausreichend ist. Aber auch einfache Kostennachteile oder Verzögerungen können genügen. Bezüglich des Maßstabes ist zu beachten, dass nur ein beschränkter Prüfungsrahmen dahin besteht, ob die Ermessensentscheidung von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgeht und insbesondere keine Willkür oder eine andere Ermessensfehlbetätigung vorliegt.
Nach Betrachtung der Abwägungsgründe kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Besonderheiten der Baustelle in der Gesamtschau die Gesamtvergabe als vertretbar und damit hinnehmbar rechtfertigen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht