Rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrecht

01.01.2012

Rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrecht

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat am 30.03.2009 (Az.: 8 S 31/08) entschieden, dass die Stadt Reutlingen ihr Vorkaufsrecht für den ehemaligen Güterbahnhof rechtmäßig ausgeübt hat.

Das Gelände des früheren Güterbahnhofs, dessen Betrieb vor etwa 20 Jahren aufgegeben worden ist, möchte sich die Stadt Reutlingen als Verknüpfungspunkt zwischen Straßen und Schiene langfristig sichern. Dort könnte, bei geänderten verkehrspolitischen Rahmenbedingungen ein Standort für den kombinierten Ladeverkehr und ein Containerbahnhof entstehen. Deshalb beschloss der Gemeinderat im April 1999 die Aufstellung eines Bebauungsplans, der im Wesentlichen ein Sondergebiet "Containerbahnhof" und ein Sondergebiet "Logistik-Zentrum" vorsehen soll. Darüber hinaus wurde im März 2001 eine Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht beschlossen und ein Planentwurf anschließend öffentlich ausgelegt. Die Deutsche Bahn AG verkaufte am 26.03.2003 einen Großteil der Fläche zu einem Preis von etwa 65.000 € an eine Immobiliengesellschaft, die sich mit der Entwicklung ehemaliger Bahnflächen befasst. Am 13.11.2003 beschloss der Finanzausschuss der Stadt, das Vorkaufsrecht auszuüben.

Dagegen wehrten sich die Deutsche Bahn AG und die Käuferin und hatten mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen Erfolg, da nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht der Finanzausschuss des Gemeinderats sondern entweder die Oberbürgermeisterin oder der Gemeinderat für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat auf die Berufung der Stadt, dieser nun Recht gegeben und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Finanzausschuss, dessen Zuständigkeitsrahmen damals von gut 75.000 € bis etwa 250.000 € gereicht habe, für die Entscheidung zuständig gewesen. Denn dem Kaufpreis seien Nebenkosten sowie "Sicherheitszuschlag" hinzuzurechnen, da der Verdacht besteht, dass der Boden des Bahngeländes Verunreinigungen aufweist. Zwar habe die Deutsche Bahn in dem Kaufvertrag zugesagt, die zu deren Beseitigung erforderlichen Kosten zu übernehmen. Dies wurde jedoch von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig gemacht, die nur schwer durchschaubar sind. Von der Stadt sei dieser "Sicherheitszuschlag" nicht näher beziffert worden. Das sei aber unschädlich, denn zum einen ist dazu nur die Bahn als Eigentümerin in der Lage. Zum anderen hätten die Klägerinnen selbst betont, dass das Risiko eines Ausfalls der Bahnhaftung für die Altlastenbeseitigung gering ist. Des Weiteren habe der Erste Bürgermeister als ständiger Vertreter der Oberbürgermeisterin die Sitzung des Finanzausschusses vom 13.11.2003 geleitet und der Ausübung des Vorkaufsrechts zugestimmt. Der Gemeinderat habe sich schließlich zwischenzeitlich mehrfach mit dem Projekt befasst, ohne die Entscheidung des Finanzausschusses zu beanstanden. Auf Grund dessen sei davon auszugehen, dass er diese billigt.

Es bestünden auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Satzung über das besondere Vorkaufsrecht und die zugrunde liegenden Bauleitplanungen. Die Stadt sei befugt, eine eigene Verkehrspolitik zu betreiben. Dies gelte auch für den Eisenbahnverkehr, zumal dieser innerstädtisch auf eine Verknüpfung mit dem gemeindlichen Straßennetz angewiesen ist. Die Stadt plane kein Bahnprojekt, sondern will lediglich geeignete Flächen freihalten, um einem Bahnunternehmen die zukünftige Wiederinbetriebnahme einer Bahnanlage zu ermöglichen. Damit verfolge sie ein im Regionalplan enthaltenes Ziel, das mit den Vorgaben des Generalsverkehrsplans des Landes übereinstimmt. Dabei sei unschädlich, dass sich dafür derzeit noch keine Realisierungschance abzeichnet.
Auch dem Einwand der Klägerinnen, es liege überhaupt kein Vorkaufsfall, sondern lediglich eine konzerninterne Vermögensverschiebung vor, da die Käuferin bei Abschluss des Kaufvertrages noch eine unmittelbare Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG gewesen ist, ist das Gericht entgegengetreten. Das Gericht hat vielmehr darauf abgehoben, dass andere Investoren jedenfalls an der Führungsgesellschaft der Käuferin schon damals mehrheitlich beteiligt gewesen sind. Im Übrigen sei die Bahn seit einiger Zeit an der Käuferin überhaupt nicht mehr beteiligt.

Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertige schließlich die Ausübung des Vorkaufsrechts. Denn die Stadt habe überzeugend dargelegt, dass und warum sich ihr Planungsziel, den Güterbahnhof als Verknüpfungspunkt zwischen Straße und Schiene langfristig zu sichern, um hierdurch die Verteilung der regionalen Stückgüter im Austausch Straße/Schiene verkehrspolitisch sinnvoll für die Region Reutlingen/Tübingen/Neckar-Alb zurückgewinnen zu können, nur an diesem Standort verwirklichen lasse.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht