Im Falle einer freien Kündigung können nicht erbrachte Leistungen nicht mit Umsatzsteuer belegt werden

01.01.2012

Im Falle einer freien Kündigung können nicht erbrachte Leistungen nicht mit Umsatzsteuer belegt werden

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.11.2007 (Az.: VII ZR 83/05) entschieden, dass die gemäß § 649 Satz 2 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B nach freier Kündigung eines Bauvertrages zu zahlende Vergütung nur Entgelt im Sinne von § 10 Abs. 1 UStG ist und damit Bemessungsgrundlage für den gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Umsatz, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt. Der auf die nicht erbrachten Leistungen entfallene Vergütungsanteil hat Entschädigungscharakter und scheide als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer aus.

Man muss bei der Abrechnung eines frei gekündigten Bauvertrags zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen abgrenzen. Diese Differenzierung ist auch deshalb notwendig, um feststellen zu können, inwieweit der Unternehmer Anspruch auf Mehrwertsteuer hat. In ständiger Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass nicht erbrachte Leistungen nicht mit Umsatzsteuer belegt werden können, so dass der Unternehmer und Besteller keine Mehrwertsteuer für den auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden Vergütungsfall verlangen kann. Der Bundesgerichtshof hat im Folgenden auch darauf hingewiesen, dass diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen ist, weil es dabei auch um die gemeinschaftsrechtliche Auslegung der 6. Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer 77/388/EWG gehe.

Nach freier Kündigung eines Bauvertrags ist das anteilige Entgelt für die erbrachte Leistung Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Soweit also die Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B nicht auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt, ist sie keine Gegenleistung um umsatzsteuerrechtlichen Sinne, sondern hat Entschädigungscharakter und scheidet als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer aus. Dass ein solcher Anspruch in vollem Umfang eine Gegenleistung für das bis zur Kündigung erstellte Teilwerk wäre, lässt sich auch nicht aus der Einheitlichkeit des Vergütungsanspruchs nach freier Kündigung herleiten. Das ergibt sich schon daraus, dass bei Kündigung vor Ausführungsbeginn nach einhelliger Meinung keine Mehrwertsteuer verlangt werden kann, weil es sich insgesamt um eine Entschädigung handelt. Jedoch wird der Charakter der Entschädigung nicht dadurch berührt, dass diese nur anteilig berechnet wird. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass der Unternehmer bei einer freien Kündigung "schadlos" gestellt werden soll. Das zur Bemessung seines Anspruchs auf die vereinbarte Vergütung abgestellt wird, soll auf der anderen Seite die Entschädigung hierauf begrenzen.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht