Vergabe von Führungsämtern auf Zeit im Beamtenverhältnis ist verfassungswidrig

01.01.2012

Vergabe von Führungsämtern auf Zeit im Beamtenverhältnis ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht entschied am 28.05.2008 (Az.: 2 BvL 11/07), dass die Vergabe von Führungsämtern im Beamtenverhältnis auf Zeit, wie sie das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen vorsieht, verfassungswidrig ist. Es gebe keine ausreichende Rechtfertigung für die landesrechtliche Regelung. Insbesondere das Lebenszeitprinzip spreche gegen diese Regelung.

Bestimmte Führungsämter werden nach § 25b Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen zunächst im Beamtenverhältnis auf Zeit vergeben. Dabei wird das fortbestehende, jedoch ruhende Beamtenverhältnis auf Lebenszeit durch das zusätzlich begründete Beamtenverhältnis auf Zeit überlagert. Eine Verleihung des Führungsamts auf Lebenszeit ist erst möglich, nachdem zwei Amtszeiten von insgesamt zehn Jahren im Beamtenverhältnis auf Zeit absolviert worden sind. Das Amt kann nach Ablauf der ersten Amtszeit für eine weitere verliehen werden. Und nach Ablauf dieser zweiten Amtszeit soll das Amt auf Lebenszeit verliehen werden.

Geklagten hatten zwei Beamte aus dem Schuldienst bzw. aus der Forstverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen. Diesen wurde ein Führungsamt im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen. Der Antrag auf Übertragung des jeweiligen Amtes auf Lebenszeit blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht legte auf ihre Revision hin die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vergabe von Führungsämtern im Beamtenverhältnis auf Zeit dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

Das Bundesverfassungsgericht kam nun zu dem Ergebnis, dass die in § 25b LBG NRW geregelte Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit den Kernbereich des nach Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz zu beachtenden Lebenszeitprinzips verletzt und die Regelung daher nicht ist. Das Lebenszeitprinzip gehöre zu den hergebrachten Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die angesichts ihrer wesensprägenden Bedeutung vom Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten seien. Durch dieses Prinzip werde die Unabhängigkeit der Beamten im Interesse einer rechtsstaatlichen Verwaltung gewährleistet. Das Bewusstsein seiner gesicherten Rechtsstellung solle die Bereitschaft des Beamten zu einer an Gesetz und Recht orientierten Amtsführung fördern und ihn zu unparteiischem Dienst für die Gesamtheit befähigen. Lediglich in solchen Bereichen seien Ausnahmen zulässig, in denen die besondere Sachgesetzlichkeit und die Natur der wahrgenommenen Aufgaben eine Begründung von Beamtenverhältnissen auf Zeit erforderten, wie zum Beispiel bei kommunalen Wahlbeamten auf Zeit oder bei politischen Beamten.

Gerade dieser Kernbereiche des Lebenszeitprinzips werde durch die im LGB NRW vorgesehene Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis auf Zeit verletzt. In seinem Führungsamt habe der Beamte auf Zeit keine gesicherte Rechtsstellung. Es fehle ihm die rechtliche Sicherheit, die ihm die für seine Amtsausübung erforderliche Unabhängigkeit geben soll, über einen Zeitraum von zehn Jahren, der beim höheren Dienst in der Regel etwa ein Viertel bis ein Drittel der Lebensdienstzeit ausmache. Auch wenn er den Anforderungen des Amts in vollem Umfang gerecht geworden sei, sei in der ersten Amtsperiode völlig ungewiss, ob er seine Position in Zukunft behalten könne. Der Beamte müsse ständig befürchten, in sein vorheriges Amt, das ihm seine Lebenszeitstellung vermittelt, zurückgesetzt zu werden, mit allen damit verbundenen Nachteilen wie einer Gehaltseinbuße, versorgungsrechtlichen Nachteilen und einem Ansehensverlust bei Kollegen, Untergebenen und in der Öffentlichkeit. Solche Maßnahmen erlaube sonst nur das Disziplinarrecht, in dessen Rahmen die Zurückstufung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt die zweitschärfste Sanktion nach der Entfernung aus dem Dienst darstellt.

Eine ausreichend gewichtige Rechtfertigung für diese Durchbrechung des Lebenszeitprinzips liege nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Eine solche Rechtfertigung könne gerade nicht durch das Leistungsprinzip erreicht werden. Eine Stärkung des Leistungsprinzips sei nicht Sinn und Zweck der Regelung des § 25b LBG NRW. Eine zweite Amtszeit sei nicht an die von dem Beamten erbrachte Leistung gekoppelt. Vielmehr könne die Entscheidung hierüber auch durch leistungsfremde politische Gesichtspunkte bestimmt werden. Von der Vorschrift werde auch nicht eine Sanktionierung nach abfallender Leistung ermöglich, da die Nichtverlängerung der Amtszeit nicht von einem durch Tatsachen belegten Leistungsabfall abhängig sei. Dadurch werde auch nicht der Wettbewerb gestärkt, da § 15b LBG NRW in ständiger Praxis so gehandhabt werde, dass bei der Vergabe des Führungsamts für einer zweite Amtszeit und bei der endgültigen Übertragung des Amts nach Ablauf beider Amtszeiten kein neues Besetzungsverfahren durchgeführt werde.

Das Gericht sah auch keine Rechtfertigung in der Förderung der Mobilität und Flexibilität des Personaleinsatzes. Soweit der Landesgesetzgeber mit der Übertragung von Führungsämtern auf Zeit die Mobilität oder Flexibilität der Beamten zu steigern beabsichtige, bleibe unklar, inwieweit die Vergabe der Führungspositionen auf Zeit geeignet sei, eine erhöhte Mobilität zu wechselnden Einsätzen der Beamten zu bewirken.

Eine Rechtfertigung durch Besonderheiten der betroffenen Führungsfunktionen schloss das Bundesverfassungsgericht ebenfalls aus. Gerade die besonderen Gründe, die bei den hergebrachten Typen des Beamtenverhältnisses auf Zeit anerkanntermaßen Abweichungen vom Lebenszeitprinzip zulassen, seien bei den Führungsämtern, die durch eine bestimmte Besoldungsstufe oder die Stellung als Leiter einer Behörde oder Abteilung gekennzeichnet sind, nicht gegeben. Allein die Hierarchieebene sei kein ausreichender Grund von der lebenszeitigen Statussicherung abzusehen. Durch einen Vergleich mit den kommunalen Wahlbeamten auf Zeit und den politischen Beamten sei auch keine andere Beurteilung veranlasst. Weder seien die Führungsämter, die der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber für einer Vergabe auf Zeit in den Blick genommen habe, mit den Besonderheiten der Aufgaben, die von den kommunalen Wahlbeamten und den politischen Beamten wahrgenommen werden, noch mit deren Stellung im politischen Prozess vergleichbar.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Joachim Krumb, Fachanwalt für Verwaltungsrecht