Fünf-Prozent-Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlgesetz ist rechtswidrig

01.01.2012

Fünf-Prozent-Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlgesetz ist rechtswidrig

Mit dem Urteil vom 13.02.2008 (Az.: 2 BvK 1/07) haben die Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht einen Erfolg erzielt. Ihr gegen die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlgesetz gerichteter Antrag ihres schleswig-holsteinischen Landesverbandes war erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht sah einen Eingriff in das Recht der Partei auf Wahlrechts- und Chancegleichheit durch den Landtag Schleswig-Holstein, indem er einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezüglich der Fünf-Prozent-Klausel abgelehnt hat.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes sind keine hinreichenden Gründe für die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretung in Schleswig-Holstein ersichtlich. Hinsichtlich ihres Erfolgswerts würden die Wählerstimmen ungleich behandelt, je nachdem, ob die Stimme für eine Partei abgegeben werden, die mehr als fünf Prozent der Stimmen aus sich vereinigen habe können, oder für eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Sperrklausel gescheitert sei. Eine Rechtfertigung der Sperrklausel durch das Argument, durch sie verfassungsfeindliche oder rechtsextremistische Parteien von der Beteiligung an kommunalen Vertretungsorganen fernzuhalten, sei nicht möglich. Für die Bekämpfung verfassungswidriger Parteien stehe das Parteiverbotsverfahren zur Verfügung.

Gegenwärtig sei die Sicherung der Gesamtwohlorientierung politischer Kräfte kein zwingender Grund für die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Dass die Auslese der Kandidaten für die kommunalen Vertretungskörperschaften jedenfalls auch nach partikularen Zielen möglich sein müsse und daher nicht ausschließlich den ihrem Wesen und ihrer Struktur nach in erster Linie am Staatsganzen orientierten politischen Parteien vorbehalten werden dürfe, folge aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann aus der Erforderlichkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel für Bundes- oder Landtagswahlen nicht auf die Erforderlichkeit der Sperrklausel für Kommunalwahlen geschlossen werden. Klare Mehrheiten zur Sicherung einer politischen aktionsfähigen Regierung seien bei gesetzgebenden Körperschaften unentbehrlich. Gemeindevertretungen und Kreistage würden dagegen anders als staatliche Parlamente keine Gesetzgebungstätigkeit ausüben. Ihnen seinen vielmehr in erster Linie verwaltende Tätigkeiten anvertraut.

Bei der Prognoseentscheidung des Gesetzgebers kommt der Ausgestaltung des Kommunalverfassungsrechts in Schleswig-Holstein entscheidendes Gewicht zu. Das zentrale Element, das bislang die Rechtfertigung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlrecht gestützt habe, sei mit der Einführung der Direktwahl der Bürgermeister in hauptamtlich verwalteten Gemeinden sowie der Landräte weggefallen. Für die Wahl der hauptamtlichen Bürgermeister und der Landräte seien nach der Änderung der Kommunalverfassung in Schleswig-Holstein im Jahr 1995 stabile Mehrheitsverhältnisse, die durch das Auftreten von Splitterparteien in Kommunalvertretungen und Kreistagen gefährdet werden könnten, nicht mehr notwendig.

Die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht der Umstand rechtfertigen, dass in ehrenamtlich verwalteten Gemeinden die Gemeindevertretung nach wie vor für die Wahl des Bürgermeisters zuständig sei. Um sicher einen Sitz in der Gemeindevertretung zu erlangen, müsse ein Wahlbewerber in sämtlichen ehrenamtlich verwalteten Gemeinden, ohnehin mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Dies beruhe darauf, dass alle ehrenamtlich verwalteten Gemeinden in Schleswig-Holstein weniger als 10.000 Einwohner hätten, was dazu führe, dass maximal 19 Gemeindevertreter zu wählen seien. Bei einem zu wählenden Gremium mit 19 Sitzen betrage schon die faktische Sperrklausel fünf Prozent.

Auch drohe bei einer größeren Anzahl von Fraktionen oder Einzelvertretern in der Gemeindevertretung oder in Kreistagen keine nachhaltige Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretung. Denn eine relative Abstimmungsmehrheit reiche für Sachentscheidungen bereits aus. Bei Wahlen gelte grundsätzlich das Meiststimmenverfahren. Danach sei der Kandidat gewählt, auf den mindestens eine Stimmte mehr entfalle als auf eine andere vorgeschlagene Person.

In Anbetracht der Regelungen der Gemeinde- und Kreisordnungen liege eine gänzlich Funktions- und Entscheidungsunfähigkeit fern. Insbesondere stellen die die Entscheidungsfähigkeit der Kommunalvertretung auch dann sicher, wenn das übliche Quorum der Beschlussfähigkeit nicht zu erreichen ist. Dies betreffe in der Praxis vor allem die Fälle, in denen die Beschlussfähigkeit von mehreren Mitgliedern der Gemeindevertretung oder des Kreistages durch Verlassen einer Sitzung herbeigeführt werde.

Es sei ebenfalls eine Gefährdung der Arbeit in den Ausschüssen nicht ernstlich zu befürchten, so das Bundesverfassungsgericht. Die Gemeinde könne die Zahl der Mitglieder der ständigen Ausschüsse frei bestimmen. Ob durch die Größe des Ausschusses gewährleistet sei, dass alle Fraktionen darin mitwirken könnten, sei dabei nicht von Belang. Eine bestimmte Anzahl von Sitzen in der Gemeindevertretung berechtige Fraktionen nicht, eine Erhöhung der Ausschusssitze zu verlangen, um dann dort berücksichtigt zu werden.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht