Schadensersatzpflicht für Justizvollzugsbeamte bei mitverschuldetem Ausbruch eines Gefangenen

01.01.2012

Schadensersatzpflicht für Justizvollzugsbeamte bei mitverschuldetem Ausbruch eines Gefangenen

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 23.11.2007 (Az.: 2 A 104099/07.OVG) entschieden, dass wenn ein Justizvollzugsbeamter einen Gefangenen entgegen der ausdrücklichen dienstlichen Anordnung nicht ordnungsgemäß durchsucht und dem Gefangenen dadurch ein Ausbruch aus der Justizvollzugsanstalt ermöglicht wird, der Beamte dem Dienstherrn zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet ist.

Bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit war der Beklagte als Justizvollzugsbeamter in der Justizvollzugsanstalt Trier tätig. Seit Mitte Januar 2000 befand sich dort auch der später geflohene Untersuchungsgefangene, der Mitte September 2000 wegen Mordes, räuberischer Erpressung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ihm gegenüber wurden besondere Sicherheitsmaßnahmen angeordnet, da er in der Vergangenheit bereits dreimal aus der Haftanstalt ausgebrochen war. Davon umfasst war unter anderem das Absonden und Abtasten beim Verlassen und vor jedem Betreten des Haftraums.

Eine Justizvollzugsbeamtin übergab während eines Hofgangs Ende Dezember 2000 dem Gefangenen einen Revolver, einen Fäustel und einen Bolzenschneider. Der Beklagte hatte am 30.12.2000 die Aufgabe, den Gefangenen vor dem Hofgang zu durchsuchen. Als dieser nach dem Hofgang in seine Zelle zurückgebracht werden sollte, bedrohte er den Beklagten und einen weiteren Vollzugsbeamten mit der Pistole, ließ sich die Zellenschlüssel aushändigen und öffnete die Zelle eines weiteren Gefangenen. Beiden gelang die Flucht. Aufgrund der Bedrohung erlitten der Beklagten und sein Kollege posttraumatische Belastungsstörungen, welche als Dienstunfall anerkannt wurden.

Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte das Land Rheinland-Pfalz auf die Klage der beiden Beamten hin, Schmerzensgeld zu zahlen und alle aufgrund der Bedrohung am 30.12.2000 in Zukunft noch entstehenden Schäden zu ersetzen. Allerdings wurde der vom Beklagten geltend gemachte Anspruch nur in Höhe von 60 Prozent zu gesprochen. Da er den Gefangenen vor dem Hofgang am 30.12.2000 nicht ordnungsgemäß durchsucht habe, treffe ihn ein Mitverschulden. Der Beklagte wurde infolge dessen vom Land auf Ersatz von 40 Prozent der Aufwendungen verklagt, die ihm für den Kollegen des Beklagten wegen der bei dem Ausbruch erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen entstanden sind und in Zukunft entstehen werden. Der Klage wurde vor dem Verwaltungsgericht stattgegeben. Diese Entscheidung wurde nun vom Oberverwaltungsgericht bestätigt.

Am 28.12.2000 sei es dem Gefangenen gelungen, die ihm zuvor übergebene Pistole, den Bolzenschneider und Fäustel in seine Zelle zu bringen. Beim Verlassen seiner Zelle am 30.12.2000 habe er Waffe und Ausbruchswerkzeug am Körper getragen. Zugleich folge hieraus die grob fahrlässige Verletzung der dem Beklagten obliegenden Dienstpflicht, den Gefangenen vor dem Hofgang an diesem Tag ordnungsgemäß zu durchsuchen. Angesichts ihrer Größe hatte er Waffe und Ausbruchswerkzeug bei ordnungsgemäßer Durchsuchung finden müssen.

Allerdings müsse sich das Land zugunsten des Beklagten eigenes Verschulden anrechnen lassen, denn ihm seien Organisationsmängel bei der Gewährleistung der Sicherheit der Justizvollzugsanstalt Trier unterlaufen. Soweit sie den Ausbruch der Gefangenen begünstigt hätten, sei dies durch die Anerkennung eines Mitverschuldensanteils in Höhe von 60 Prozent angemessen berücksichtigt worden.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Joachim Krumb, Fachanwalt für Verwaltungsrecht