Europarechtliche Vorgaben an öffentliche Ausschreibungen müssen bei der Verpachtung der Leichenhalle Coesfeld beachtet werden

01.01.2012

Europarechtliche Vorgaben an öffentliche Ausschreibungen müssen bei der Verpachtung der Leichenhalle Coesfeld beachtet werden

Das Verwaltungsgericht Münster hat am 09.03.2007 per Eilbeschluss (Az.: 1 L 64/07, nicht rechtskräftig) entschieden, dass die Stadt Coesfeld bei der Verpachtung ihrer Leichenhalle europarechtliche Vorgaben beachten muss. Durch eine öffentliche Ausschreibung oder sonstigen öffentlichen Bekanntmachung müssen alle potenziell Interessierten vor einer Verpachtung Zugang zu den wesentlichen Informationen über den beabsichtigten Pachtvertrag erhalten können.

Die Stadt Coesfeld beabsichtigte, die Bewirtschaftung der Leichenhalle zu privatisieren. Dafür hatte sie 2004 mit den drei ortsansässigen Bestattungsunternehmern Gespräche geführt. Nach ausscheiden eines der Unternehmer, handelte die Stadt mit einem der übrigen Unternehmer einen Pachtvertrag aus, der im Februar 2007 unterschrieben werden sollte. Der verbliebene Bestatter wandte sich hiergegen. Bei Gericht beantragte er eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel, es der Stadt Coesfeld zu untersagen, den Pachtvertrag ohne vorherige öffentliche Ausschreibung abzuschließen.

Das Verwaltungsgericht gab diesem Antrag statt. Es handle sich bei der beabsichtigten Übertragung des Betriebs der Leichenhalle auf ein privates Bestattungsunternehmen um die Vergabe einer so genannten Dienstleistungskonzession. Auch wenn hier alle Beteiligten ihren Sitz beziehungsweise Wohnsitz in Deutschland hätten, sei dabei das Recht der Europäischen Gemeinschaft zu beachten. Da es sich schon angesichts der geographischen Lage Coesfelds nicht ausschließen lasse, dass etwa ein Bestattungsunternehmen aus den Niederlanden daran interessiert sei, die Leichenhalle zu betreiben, sei der erforderliche grenzüberschreitende Bezug gegeben. Der wirtschaftliche Wert der Konzession sei nicht so gering, dass ein Interesse ausländischer Unternehmen von vornherein zu verneinen wäre.

Hier gelte insbesondere das vom Europäischen Gerichtshof aus dem EG- Vertrag hergeleitete Gebot zur Transparenz. Öffentliche Stellen, die einen Vertrag über eine Dienstleistungskonzession abzuschließen beabsichtigen hätten danach alle potenziell Interessierten den Zugang zu angemessenen Informationen über die Konzession zu ermöglichen, um diese in die Lage zu versetzten, gegebenenfalls ihr Interesse an der Erteilung der Konzession bekunden zu können. Dieses Gebot sei vorliegend dadurch verletzt worden, dass der Antragsteller zwar über das Vorhaben der Stadt an sich informiert worden sei, die Informationen ihn aber nicht ausreichend in die Lage versetzt hätten, ein konkretes Angebot abgeben zu können. Der beabsichtigte Beginn und die Laufzeit des Pachtvertrags seien dem Antragsteller ebenso wenig mitgeteilt worden, wie Art und Umfang der voraussichtlichen jeweiligen Rechte und Pflichten der Vertragspartner.

Das Recht, die Einhaltung des europarechtlichen Transparenzgebots zu verlangen, stehe auch nicht nur ausländischen Interessenten zu. Auch inländische Interessenten müssten die Möglichkeit haben, gegen Verstöße vorzugehen, da die Pflicht zur Transparenz darauf abziele, die Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb zu öffnen. Der Antragsteller könne verlangen, dass die Stadt Coesfeld vor der Verpachtung der Leichenhalle ein Vergabeverfahren durchführe, das den hierfür geltenden gemeinschaftlichen Grundsätzen entspreche. Eine förmliche Ausschreibung sei nicht notwendigerweise erforderlich. Vielmehr sei auch eine andere Art der Bekanntmachung ausreichend, die aber die für ein eventuelles Vertragsangebot eines Interessenten wesentlichen Informationen über den beabsichtigten Pachtvertrag und eine Zeitangabe für die Abgabe eines Angebots umfassen müsse.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht