Gleichheitswidrige Benachteiligung im Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte kann vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden

01.01.2012

Gleichheitswidrige Benachteiligung im Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte kann vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden

Mit Beschluss vom 04.05.2006 (15 B 692/06) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster seine jüngste Rechtsprechung fortgesetzt, wonach in Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte der unterlegene Bieter Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten erhalten kann. Es folgt damit der Linie der Oberverwaltungsgerichte Koblenz und Bautzen, die ebenfalls eine solche Zuständigkeit bejaht hatten. Weiter entschied das OVG, dass in dem Verfahren ein Unterlassungsanspruch nicht auf jedweden Verstoß gegen Bestimmungen der Verdingungsordnungen gestützt werden kann. Anders als in Nachprüfungsverfahren nach dem GWB (oberhalb der Schwellenwerte) seien nur solche Verstöße relevant, die den Antragsteller gleichheitswidrig benachteiligen.

Eine Kommune hatte Bauleistungen für die Brandschutzsanierung einer Schule ausgeschrieben. Dabei wurde der EU-Schwellenwert von 5.000.000 Euro (alt) nicht erreicht. Die Antragstellerin, die kein Angebot abgegeben hatte, verlangt im Weg der einstweiligen Anordnung von der Kommune, keinen Zuschlag zu erteilen. Sie beruft sich darauf, dass die Ausschreibung sie vergaberechtswidrig an der Abgabe eines konkurrenzfähigen Angebots gehindert habe. So seien insbesondere entgegen den Vorgaben des § 9 Abs, 5 VOB/A Erzeugnisse bestimmter Hersteller ausgeschrieben worden. Auf gleichwertige Erzeugnisse anderer Hersteller, die die Antragstellerin beziehen könne, sei nicht abgestellt worden. Zudem seien für einzelne Positionen vergaberechtswidrig überhöhte Mengen ausgeschrieben worden. Auch seien ungleichartige Leistungen unter einer Position zusammengefasst und unvollständige Angaben über den Leistungsumfang gemacht worden. Das VG Düsseldorf (Az.: 20 L 537/06) hatte den Antrag erstinstanzlich abgewiesen. Das OVG Münster wies mit Beschluss vom 04.05.2006 die Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet zurück. Zwar sei der Verwaltungsrechtsweg hier eröffnet. Allerdings habe die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch auf Unterlassung der Zuschlagserteilung nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Ein derartiger Unterlassungsanspruch setze voraus, dass die Vergabe an einen anderen als die Antragstellerin einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Antragstellerin darstelle. Eine Rechtsverletzung sei allenfalls denkbar, wenn die Antragstellerin geltend machen könne, dass sie aufgrund der vergaberechtswidrigen Ausgestaltung der Ausschreibung kein konkurrenzfähiges Angebot habe abgeben könne. Eine derartige Rechtsverletzung habe die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Im Gegensatz zum Nachprüfungsverfahren nach dem Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bei dem auf der Grundlage des § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen bestehe, könne im Rahmen des vergaberechtlichen Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten nur auf solche Verstöße abgestellt werden, die die Antragstellerin gleichheitswidrig benachteiligen würden. Ein Unterlassungsanspruch könne jedoch nicht auf die Verletzung jedweder Bestimmungen der Verdingungsordnungen gestützt werden. Im Hinblick auf die Vorgaben des § 9 Abs. 5 VOB/A für ausgeschriebene herstellerbezogene Leistungen bestehe ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin nur dann, wenn sie gehindert gewesen sei, ein davon abweichendes Angebot zu machen und dadurch gegenüber den Konkurrenten gleichheitswidrig benachteiligt werde. Die Antragstellerin habe jedoch ein Nebenangebot mit den von ihr angebotenen Produkten abgeben können und sei insoweit nicht gleichheitswidrig benachteiligt gewesen.

Zudem könne sich die Antragstellerin nicht auf überhöhte Mengenansätze, unvollständige Angaben über den Leistungsumfang und die Zusammenfassung ungleichartiger Leistungen berufen. Der Gleichheitssatz sei nicht verletzt, da diese Ausschreibungsbedingungen alle Anbieter gleichermaßen treffen würden. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf vollständige Einhaltung der Bestimmungen des § 9 VOB/A, ohne dass eine gleichheitswidrige Wettbewerbsverzerrung durch die Ausschreibung vorliege.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht