Einigung der Erstbeurteiler auf unverbindliche Rangliste im Rahmen von Spiegelungsgesprächen zulässig

01.01.2012

Einigung der Erstbeurteiler auf unverbindliche Rangliste im Rahmen von Spiegelungsgesprächen zulässig

Mit Beschluss vom 04.05.2006 (6 B 246/06) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden, dass keine Bedenken dagegen bestehen, dass sich die Erstbeurteiler schon bei Spiegelungsgesprächen in Anwesenheit eines Vorgesetzten mit dem Ziel der Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe einvernehmlich auf eine unverbindliche Rangliste verständigen; einen Verstoß gegen die Beurteilungsrichtlinie stelle dies nur dar, wenn die Rangfolge nicht von den Erstbeurteilern selbst erstellt wird, sondern auf eine entsprechende Weisung des Vorgesetzten zurückgeht.

Der Antragsteller des vom OVG verhandelten Konkurrentenstreitverfahrens verrichtete Dienst als Polizeikommissar der Besoldungsgruppe A 9 BBesO (I. Säule) bei der Kreispolizeibehörde N. -M. Er erstrebte einstweiligen Rechtsschutz dagegen, dass der Dienstherr die der Kreispolizeibehörde N. -M. für Dezember 00 und Januar 00 zugewiesenen vier Planstellen der Besoldungsgruppe A 10 mit den Beigeladenen besetzen wollte, er hingegen nicht befördert werden sollte.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in 1. Instanz mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt: Die Beförderungsentscheidungen seien nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung rechtlich einwandfrei. Maßgeblich für die zu treffende Auswahlentscheidung seien zunächst die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten, vor allem die in ihnen enthaltenen Gesamturteile. Der Antragsteller habe bei seiner letzten dienstlichen Regelbeurteilung vom 16. Dezember 2000 ein Gesamturteil von 4 Punkten (Hauptmerkmale: 4/4/3) erzielt. 12 andere Beamte hätten hingegen in ihren aktuellen Regelbeurteilungen ein Gesamturteil von 5 Punkten und weitere 14 Beamte ein Gesamturteil von 4 Punkten (Hauptmerkmale: mindestens 4/4/4) aufzuweisen. Danach habe der Antragsteller bei der Beförderungsentscheidung nicht berücksichtigt werden können. Die Beurteilung des Antragstellers vom 16. Dezember 2005 sei auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen. Zunächst bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erstbeurteiler bei der Erstellung seines Beurteilungsvorschlags nicht unabhängig und frei von Weisungen gewesen sei. Zwar habe der Erstbeurteiler des Antragstellers (wie auch die anderen Erstbeurteiler) in der von ihm abgegebenen Erstbeurteilung unter Nummer V. auf folgenden Umstand hingewiesen: "Die Bewertung der Hauptmerkmale erfolgte nach dem Ergebnis der Spiegelgespräche der PI N., das unter Beteiligung aller Erstbeurteiler und des Unterabteilungsleiters einvernehmlich festgestellt wurde." Mit dieser Bemerkung habe er jedoch nur zum Ausdruck bringen wollen, dass er sich bei der Bewertung der Hauptmerkmale mit der Einschätzung der übrigen Erstbeurteiler der Polizeiinspektion N. und des Unterabteilungsleiters im Einklang befunden habe. Der Bemerkung sei hingegen nicht zu entnehmen, dass er bei den Spiegelungsgesprächen einer Beeinflussung ausgesetzt gewesen wäre, die sich einer Weisung so angenähert hätte, dass ihm eine unabhängige Leistungsbewertung nicht mehr möglich gewesen wäre. Im Übrigen hätten die in Rede stehenden Spiegelungsgespräche auf der Ebene der Polizeiinspektion N. und damit ohne den Endbeurteiler stattgefunden, so dass diese Gespräche schon aus diesem Grunde keine verbindlichen Festlegungen hätten bewirken können. Nicht zu beanstanden sei weiter, dass die Beurteilung des Antragstellers bereits zu dem Stichtag 1. Oktober 2000 und nicht - wie bei strikter Einhaltung eines dreijährigen Beurteilungszeitraums zu erwarten gewesen wäre - zu dem Stichtag 1. Januar 2000 erstellt worden sei. Es stehe dem Innenministerium zu, im Einzelfall einen vom üblichen Drei- Jahres-Rhythmus abweichenden Beurteilungsstichtag festzulegen. Die hier gegebene Abweichung sei zudem nur geringfügig und aus dem - jedenfalls nicht willkürlichen - Grund erfolgt, für alle Beamten der Besoldungsgruppe A 9 BBesO einen einheitlichen Beurteilungsstichtag zu schaffen. Ob es rechtmäßig gewesen sei, die Beamten der I. und II. Säule der Besoldungsgruppe A 9 BBesO - wie hier erstmalig geschehen - zu einer Vergleichsgruppe zusammenzufassen, könne dahinstehen. Denn der Antragsteller würde auch dann keinen für eine Beförderung ausreichenden Rangplatz einnehmen, wenn er nur mit den anderen der I. Säule entstammenden Konkurrenten verglichen worden wäre. Bei einer solchen Vorgehensweise wären ihm immer noch 12 Beamte mit einem Gesamturteil von 4 Punkten und zumindest 4 Punkten in sämtlichen bewerteten Hauptmerkmalen in der aktuellen Regelbeurteilung vorzuziehen gewesen.

Das OVG bestätigte jetzt diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Einwand des Antragstellers, die ihm unter dem 16. Dezember 00 erteilte Beurteilung sei rechtswidrig, weil der Erstbeurteiler unzulässiger Einflussnahme ausgesetzt gewesen sei, greife nicht durch. Nach Nummer 9.1 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Innenministeriums NW vom 25. Januar 1996 - IV B 1 - 3034 H - SMBl. NW. 203034) - im Folgenden: BRL - beurteile der Erstbeurteiler unabhängig und sei nicht an Weisungen gebunden. Er habe nach eigenen Kenntnissen und Erfahrungen zu beurteilen. "Unabhängig davon" - so die BRL - "sind vor der Erstellung des Beurteilungsvorschlags Gespräche der Vorgesetzten mit den Erstbeurteilerinnen und Erstbeurteilern mit dem Ziel der Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe zulässig und sinnvoll". Spiegelungsgespräche unter Beteiligung von Vorgesetzten, wie sie im vorliegenden Fall durchgeführt wurden, stellen nach Ansicht des OVG damit grundsätzlich - anders als der Antragsteller meint - einen nach den BRL vorgesehenen Verfahrensschritt dar. Es bestünden auch keine Bedenken dagegen, wenn sich die Erstbeurteiler schon bei solchen Spiegelungsgesprächen in Anwesenheit eines Vorgesetzten mit dem Ziel der Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe einvernehmlich auf eine unverbindliche Rangliste verständigen; einen Verstoß gegen die BRL stelle dies nur dar, wenn die Rangfolge nicht von den Erstbeurteilern selbst erstellt werde, sondern auf eine entsprechende Weisung des Vorgesetzten zurückgehe.

Für eine solche Weisung fehle es jedoch im vorliegenden Fall an Anhaltspunkten. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass das Spiegelungsgespräch auf der Ebene der Polizeiinspektion N. mangels Beteiligung des Endbeurteilers von vornherein nicht geeignet war, über die Bewertung der Leistungen des Antragstellers und der übrigen Beamten verbindliche Festlegungen zu bewirken, die mit dem Prinzip des zweistufigen Beurteilungsverfahrens unvereinbar wären. Es gebe im vorliegenden Fall keinen Grund zu der Annahme, dass es vor Abgabe der Erstbeurteilungen zwischen den Erstbeurteilern und dem Endbeurteiler Kontakte gegeben habe, bei denen sich beide Seiten im Vorhinein auf bestimmte Beurteilungen im Einzelfall verständigt hätten oder der Endbeurteiler die Beurteilungsabsichten der Erstbeurteiler personenbezogen abgefragt oder den Erstbeurteilern eine bereits feststehende Entscheidung mitgeteilt hätte.

Allerdings könne unter Umständen auch von einem Vorgesetzten, der nicht Endbeurteiler ist, eine Einflussnahme ausgehen, die die Intensität einer Weisung annehme oder sonst die Unabhängigkeit des Erstbeurteilers tangiere bzw. bewirke, dass bei den an einem Spiegelungsgespräch teilnehmenden Erstbeurteilern keine Klarheit mehr darüber bestehe, dass die Endbeurteilung noch offen sei und erst aufgrund der Beurteilerbesprechung nach Vorlage der Erstbeurteilungen erfolge. Eine derartige Einflussnahme des an den Spiegelungsgesprächen beteiligten Unterabteilungsleiters der Polizeiinspektion N. auf die Erstbeurteiler sei vom Antragsteller jedoch nicht dargelegt worden.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Joachim Krumb, Fachanwalt für Verwaltungsrecht