Bebauungsplan: Stellungnahmen im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung

15.12.2020

Das Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan ist fehleranfällig – das weiß jede Gemeinde, die schon einmal in einem Normenkontrollverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) ihren Bebauungsplan verteidigen musste. Insbesondere die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung sind strikt einzuhalten. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, wie mit den Stellungnahmen im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung im weiteren Verfahren umzugehen ist.

Einleitung

Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Aufstellungsverfahrens für einen Bebauungsplan findet in der Regel in zwei Stufen statt: Es beginnt mit der frühzeitigen Bürgerbeteiligung (§ 3 Abs. 1 BauGB). Dabei wird in der Regel ein sogenannter Vorentwurf des Bebauungsplans vorgestellt. Parallel dazu werden auch die Stellungnahmen von Fachbehörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange eingeholt. Oftmals führen die Erkenntnisse aus dieser ersten Beteiligungsstufe zu einer Änderung des Vorentwurfs des Bebauungsplans. In der nächsten Stufe erfolgt die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB. Hierbei wird der Planentwurf für einen Monat öffentlich ausgelegt und zusätzlich im Internet bereitgestellt. (Ausführlich zum Planaufstellungsverfahren: Krumb in: Rixner/Biedermann/Chalier, systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, §§ 3,4 BauGB).

Während die Öffentlichkeitsbeteiligung auf der zweiten Stufe – die sogenannte förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung – gesetzlich recht genau geregelt ist, enthält § 3 Abs. 1 zur frühzeitigen Bürgerbeteiligung nur wenig Aufschlussreiches. Zwar ergibt sich aus § 214 Abs. 1 BauGB, dass Verfahrensfehler im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nicht beachtlich sind, also die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht in Frage stellen. Fällt aber eine Stellungnahme gänzlich unter den Tisch, kann sich daraus als Folge ein Abwägungsfehler ergeben, der seinerseits wiederum beachtlich ist und schlimmstenfalls zur Aufhebung des Bebauungsplans führen kann.

Umgang mit Stellungnahmen aus der frühzeitigen Bürgerbeteiligung

Die Anregungen und Stellungnahmen aus der frühzeitigen Bürgerbeteiligung gehören – soweit sie städtebaulich relevant sind – zum Abwägungsmaterial, und zwar (nach strenger Auffassung) sogar dann, wenn sie in der förmlichen Offenlage nicht noch einmal wiederholt werden. Sie müssen daher – sinnvollerweise aufbereitet in einer sogenannten „Abwägungstabelle“ – Gegenstand eines Abwägungsbeschlusses der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung sein. Die Vorschriften des BauGB zum Planaufstellungsverfahren zwingen nicht dazu, sämtliche abwägungsrelevanten Belange in einem einzigen Abwägungsbeschluss zu einer ganz bestimmten Zeit vorzunehmen. Dergleichen ergibt sich insbesondere nicht aus § 214 Abs. 3 BauGB. Allerdings bestimmt diese Vorschrift, dass die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan maßgeblich ist. Daher ist Vorsicht geboten: Wird über einen Teil der abwägungsrelevanten Belange (Stellungnahmen) bereits zu einem früheren Zeitpunkt Beschluss gefasst (Abwägungsbeschluss), ist das insofern fehleranfällig, weil sich bis zum Satzungsbeschluss die Sach- und Rechtslage ändern könnte mit der Folge, dass im Einzelfall Abwägungsfehler vorliegen können.

Rechtslage und Meinungsstand

§ 3 BauGB enthält keine Angaben darüber, wie mit den Ergebnissen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung umzugehen ist. In der Praxis finden sich unterschiedliche Vorgehensweisen. Teilweise wird gefordert, die Ergebnisse genauso zu behandeln wie Stellungnahmen im förmlichen Verfahren nach § 3 Abs. 2. Teilweise wird dagegen eine formalisierte Behandlung in Form einer Abwägungstabelle als nicht erforderlich abgelehnt (vgl. Schmidt-Eichstaedt BauR 2013, 1381). Anders als bei der förmlichen Beteiligung hinsichtlich der Ergebnisse der Prüfung der Anregungen (§ 3 Abs. 2 Satz 4) besteht keine Verpflichtung der Gemeinde, die Beteiligten über das Ergebnis der Prüfung bzw. Auswertung ihres Vorbringens zu unterrichten. Richtigerweise kann die Erarbeitung einer Abwägungstabelle nicht gefordert werden. Gleichwohl ist es zulässig und sicher auch in vielen Fällen zur Sichtung, Ordnung und Bewertung des eingegangenen Materials sinnvoll, eine Aufstellung der eingegangenen Stellungnahmen in vergleichbarer Weise wie im förmlichen Verfahren nach § 3 Abs. 2 anzufertigen (Brügelmann/Korbmacher, 114. EL April 2020, BauGB § 3 Rn. 29a-27a). Eine solche Abwägungstabelle zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung hat aber nur einen vorläufigen Charakter. Dies sollte insbesondere dann unzweideutig erkennbar sein, wenn die Tabelle der Gemeindevertretung zur Kenntnis oder Abstimmung vorgelegt wird (Schmidt-Eichstaedt a. a. O. S. 1382). Führt die Gemeinde das Planaufstellungsverfahren nach der frühzeitigen Beteiligung fort, muss die vorläufige Abwägungstabelle der endgültigen Abwägungstabelle nicht beigefügt werden. Die Gemeinde kann die vorläufige Abwägungstabelle in die endgültige Version einarbeiten mit der bürgerfreundlichen Folge, dass jeder Einwender am Ende des Verfahrens eine Nachricht über das Schicksal seiner Einwendungen erhält. Wurde die Gemeindevertretung/Stadtverordnetenversammlung nach der Durchführung der frühzeitigen Beteiligung nicht durch eine vorläufige Abwägungstabelle über die eingegangenen Stellungnahmen in Kenntnis gesetzt, müssen die Stellungnahmen aus dem frühzeitigen Beteiligungsverfahren, auf die sich ein Einwender im förmlichen Verfahren bezieht, in der endgültigen Abwägungstabelle aufgelistet und zur Kenntnis gegeben werden. Nur so wird sichergestellt, dass die Abwägungsentscheidung in Kenntnis aller eingegangenen Stellungnahmen erfolgt (wie hier: Schmidt-Eichsteadt a. a. O. S. 1383; zustimmend: Brügelmann/Korbmacher, 114. EL April 2020, BauGB § 3 Rn. 29a).

Empfehlung für die Praxis

Zu empfehlen ist, die im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung eingegangenen Stellungnahmen in einer sogenannten Abwägungstabelle zu erfassen und mit einem Behandlungsvorschlag zu versehen. Daraus können sich Änderungen der Planung ergeben, die in den Bebauungsplanentwurf für die Offenlage einzuarbeiten sind. Im Rahmen des (üblichen, aber rechtlich nicht gebotenen) Offenlagebeschlusses wird dadurch für die Gemeindevertreter/Stadtverordneten nachvollziehbar, aus welchen Überlegungen sich die Änderungen im Bebauungsplanentwurf gegenüber dem Vorentwurf ergeben. Eine Abwägungsbeschluss bezüglich der Stellungnahmen aus der frühzeitigen Beteiligung ist nicht erforderlich und wegen möglicher Folgefehler auch nicht empfehlenswert. Wichtig ist nur, dass die Anregungen und Stellungnahmen – soweit sie sich nicht durch eine Anpassung der Planung erledigt haben – auch Gegenstand der Abwägung zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am Ende des Planaufstellungsverfahrens sind und dass der Behandlungsvorschlag in der Abwägungstabelle der unter Umständen zwischenzeitlich geänderten Sach- und Rechtslage angepasst wird.