Die neuen EU-Schwellenwerte

15.12.2023

Weihnachten ist (zum Glück) jedes Jahr. Die Schwellenwerte für europaweite Vergabeverfahren werden dagegen (nur) alle 2 Jahre angepasst. Ab dem 1. Januar 2024 gelten wieder neue EU-Schwellenwerte, über die wir Sie informieren möchten.

Rechtsgrundlage der EU-Schwellenwerte

Öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber (zu diesen Begrifflichkeiten siehe unten) müssen öffentliche Aufträge im Sinne des Vergaberechts, also Bau-, Liefer- und Dienstleistungen, ausschreiben. Um zu entscheiden, ob hierbei das EU-Vergaberecht oder das nationale Vergaberecht anzuwenden ist, haben sie eine Auftragswertschätzung gemäß § 3 Vergabeverordnung (VgV) durchzuführen.

Überschreitet die Auftragswertschätzung des Auftraggebers den jeweils relevanten Schwellenwert nach § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit den jeweils geltenden EU-Richtlinien, muss der Auftrag EU-weit ausgeschrieben werden. Liegt die Auftragswertschätzung dagegen unterhalb dieser Schwellenwerte, kann die Ausschreibung nach nationalem Vergaberecht erfolgen.

Die maßgeblichen Schwellenwerte sind hierbei in einem WTO-Übereinkommen (GPA) festgelegt, dem auch die EU beigetreten ist. Diese Festlegung im GPA beruht auf einer Kunstwährung, den sogenannten „Sonderziehungsrechten“, die im Verhältnis zum Euro einen schwankenden Wechselkurs haben. Die EU-Kommission überprüft deshalb die Wechselkursentwicklung und passt die Schwellenwerte im EU-Vergaberecht alle zwei Jahre einem möglichst realistischen Wert bezogen auf die vergangene und künftige Währungsentwicklung an.

Ab dem 1. Januar 2024 gelten folgende Schwellenwerte:

1. Liefer- und Dienstleistungsaufträge (einschließlich freiberuflicher Dienstleistungen): - für oberste und obere Bundesbehörden (Art. 4b, c RL 2014/24/EU): 143.000 € (anstatt bisher: 140.000 €)

- für Sektoren-Auftraggeber (= Auftraggeber in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor; Art. 15 der RL 2014/25/EU): 443.000 € (anstatt bisher: 431.000 €)

- im Verteidigungsbereich (Art. 15 RL 2014/25/EU; Art. 8 der RL 2009/81/EG

– Verteidigungs- und sicherheitsrelevante Liefer- und Dienstleistungen): 443.000 € (anstatt bisher: 431.000 €)

- für sonstige öffentliche Auftraggeber (sowie im Verteidigungsbereich, sofern es sich um Aufträge über Waren handelt, die nicht im Anhang III der RL 2014/24/EU aufgeführt sind): 221.000 € (anstatt bisher: 215.000 €)

2. Bauaufträge (Art. 4a RL 2014/24/EU; Art. 15 RL 2014/25/EU; Art. 8 RL 2009/81/EG): 5.538.000 € (anstatt bisher: 5.382.000 €)

3. Konzessionsvergaben (= Bau- und Dienstleistungskonzessionen; Art. 8 RL 2014/23/EU): 5.538.000 € (anstatt bisher: 5.382.000 €)

Was sollte man hinsichtlich dieser EU-Schwellenwerte noch wissen?

Zumal in den EU-Mitgliedstaaten jeweils unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gelten, kommt es bei den vorgenannten Werten jeweils auf den Nettobetrag an.

Die am 16. November 2023 veröffentlichten EU-Verordnungen gelten unmittelbar. Deshalb sind die neuen Schwellenwerte von allen Auftraggebern für Ausschreibungen, die ab dem 1. Januar 2024 bekanntgemacht werden, zwingend zugrunde zu legen. Zwar erfolgt die Bekanntmachung dieser neuen Schwellenwerte durch das Bundeswirtschaftsministerium auch nochmals im Bundesanzeiger. Diese Bekanntmachung hat jedoch nur deklaratorische Bedeutung.

Der Bundesrat hatte auf Initiative des Freistaates Bayern und des Landes Nordrhein-Westfalen der EU-Kommission eine deutliche Anhebung der Schwellenwerte für EU-weite Ausschreibungen empfohlen. Ziel dieser Initiative war es, den Verwaltungs- und Kostenaufwand für Auftraggeber und Auftragnehmer zu reduzieren, den Mittelstand zu entlasten, die Anzahl der aufwändigen EU-Vergabeverfahren (sogenannter Oberschwellenbereich) deutlich zu verringern und öffentliche Investitionen zu beschleunigen. Dieser Anregung des Bundesrates ist die EU-Kommission für die Jahre 2024 bis 2025 allerdings nicht gefolgt. Stattdessen wurden die EU-Schwellenwerte in allen Bereichen nur moderat angehoben.

Mit den neuen Schwellenwerten der EU-Kommission werden in den Jahren 2024/2025 gerade einmal genau (Liefer-/ Dienstleistungen) bzw. fast genau (Bauleistungen und Konzessionen) die Schwellenwerte aus 2018/ 2019 wieder erreicht. Der Anwendungsbereich des nationalen Vergaberechts erweitert sich daher aufgrund dieser nur leicht angehobenen „nackten Zahlen“ nur geringfügig. Wenn jedoch zusätzlich beachtet wird, dass durch die neuen Werte nicht die erheblichen Verbraucherpreissteigerungen in Deutschland berücksichtigt werden, sondern nur das geänderte Verhältnis zwischen Euro und SDR (= Währungskorb des IWF) abgebildet wird, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass trotz der Anhebung der EU-Schwellenwerte – aufgrund der vorgenannten Preissteigerungen in Deutschland – faktisch mehr Leistungen neu europaweit auszuschreiben sein werden.

Welche EU-Schwellenwerte haben sich nicht geändert?

Der EU-Schwellenwert für soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß § 130 Abs. 1 GWB bleibt mit 750.000 € netto unverändert. Hierzu gehören bestimmte Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens sowie auch bestimmte juristische Dienstleistungen. Hintergrund ist, dass diese nicht unter das WTO-Übereinkommen (GPA) fallen. Deshalb wird dieser Wert bei den turnusmäßigen Anpassungen alle zwei Jahre (bisher) nicht geändert.